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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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sei, ihn und Jane in ihrem Kummer allein zu lassen, sondern »rücksichtslos fast bis Mitternacht geblieben ist, und meine arme Frau und ich mussten dasitzen und über Belanglosigkeiten reden und konnten erst dann unserem Leid freien Lauf lassen«.
    Man wird nie erfahren, wie sich die neu erarbeitete Version von der ursprünglichen unterschied. Das Buch ist allerdings eines der unlesbarsten, das jemals die Wertschätzung seiner Zeit errang. Es ist weitgehend im Präsens in einer seltsamen, überdrehten Sprache geschrieben, die immer am Rande der völligen Inkoheränz entlangtänzelt. Hören Sie, wie Carlyle den Mann hinter der Guillotine beschreibt:
    Und der ehrenwerte Doctor Guillotin, den wir ein anderes Mal zu sehen hofften? Falls er nicht hier ist, sollte er hier sein. Wir sehen ihn mit dem Auge der Prophezeiung: denn die Pariser Deputierten sind alle ein wenig spät. Einzigartiger Guillotin, angesehener Arzt; von einem sarkastischen Schicksal zu dieser wahrhaft einzigartigen, unsterblichen Ehre verdammt! [...] Unglücklicher Doctor! Zweiundzwanzig Jahre lang unguillotiniert, wird er nichts hören als die Guillotine; dann sterbend, soll er durch lange Jahrhunderte wandern, im Grunde ein untröstlicher Geist, auf der falschen Seite von Styx und Lethe, sein Name wird wohl Cäsars überleben.
    Solch kühner, intimer Schreibe waren Leser noch nie in einem Buch begegnet, sie fanden es aufregend. Dickens behauptete, er habe das Werk fünfhundert Mal gelesen und es sei die Inspiration zu seiner Geschichte aus zwei Städten. Oscar Wilde verehrte Carlyle. »Zum ersten Mal in unserer Sprache hat er Geschichte in Gesang verwandelt«, schrieb er. »Er war unser englischer Tacitus.« Ein halbes Jahrhundert lang war Carlyle für Literaten ein Gott.
    Er starb 1881. Seine Geschichtswerke überlebten ihn nur kurz, doch seine persönliche Geschichte geht munter weiter, vor allem dank der außerordentlich umfangreichen Korrespondenz, die er und seine Gattin hinterließen — ausreichend für dreißig Bände dichtbedruckter Seiten. Thomas Carlyle wäre sicher erstaunt und bekümmert, dass seine Bücher heute eigentlich nirgendwo mehr gelesen werden, er selbst aber bekannt ist wegen der detaillierten Schilderung seines Alltagslebens, insbesondere seiner jahrzehntelangen kleinlichen Klagen über Diener und Bedienstete. Die Ironie dabei ist natürlich, dass er und seine Frau nur deshalb die Muße hatten, all diese Briefe zu schreiben, weil sie viele »undankbare Diener« hatten.
    Was Besonderes waren die Klagen über das Dienstpersonal nicht. Zwei Jahrhunderte früher beschäftigten Samuel Pepys und seine Frau Elizabeth während der achteinhalb Jahre, die er Tagebuch führte, eine schier endlose Reihe von Dienern und Dienerinnen. Kein Wunder, denn Samuel verbrachte ein Gutteil seiner Zeit damit, die Frauen zu begrapschen und die Burschen zu verprügeln — recht bedacht, verprügelte er auch die Mädchen nicht selten. Einmal nahm er einen Besen »und drosch« seine Dienerin Jane, »bis sie schröcklich schrie«. Ihr Verbrechen? Sie war unordentlich. Einen Jungen hielt Pepys sich anscheinend nur zu dem Zweck, dass er bequem in Reichweite jemanden zum Verdreschen hatte — »mit einem Stock oder einer Rute, einer Peitsche oder einem Seilende und einmal sogar mit einem gepökelten Aal«, berichtet Liza Picard.
    Im Entlassen der Unglücklichen war Pepys einsame Spitze. Eine setzte er auf die Straße, weil sie angeblich »schnippische Worte« gesagt hatte, eine andere, weil sie eine Klatschbase sei. Von einer, die bei Dienstantritt neue Kleidung bekommen und sich gleich in der Nacht davongemacht hatte, holte er sich, nachdem w i e festgenommen worden war, die Kleidung zurück und bestand darauf, dass sie schwer ausgepeitscht wurde. Andere wurden wegen Trinkens oder Essenstehlens entlassen. Manche gingen garantiert auch von selbst, weil sie keinen Wert auf seine liebesgeilen Fummeleien legten. Eine erstaunliche Anzahl aber wehrte sich nicht. Pepys notierte, dass er Sex mit mindestens zehn Frauen außer seiner Ehefrau und sexuelle Begegnungen mit vierzig weiteren hatte. Viele davon waren Dienerinnen. Zu einer, Mary Mercer, wird im Dictionary of National Biography ganz gleichmütig vermerkt: »Samuel hatte es sich offenbar zur Angewohnheit gemacht, Mercers Brüste zu betatschen, wenn sie ihn morgens ankleidete.« (Interessant, dass unser verwegener Held »Samuel« ist und diejenige, die ja bloß das Arbeitstier war, »Mercer«.) Wenn ihn die

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