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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Geheiß nannte sie ihn »Massaa und schwärzte sich die I laut, damit sie wie eine Sklavin aussah. Offenbar führte sie auch die Tagebücher weitgehend deshalb, damit er lesen konnte, wie sie sich schmutzig machte.

    Erst nachdem er 1910 gestorben war und sein Testament eröffnet wurde, wurde bekannt, dass seine Dienerin seine Ehefrau gewesen war. Eine kleine Sensation! Und Hannah Cullwick wurde wegen ihrer merkwürdigen Ehe, nicht wegen ihrer erschütternden Tagebücher berühmt.
    Am unteren Ende der Dienerpyramide standen die Wäscherinnen, deren Status so niedrig war, dass man sie gänzlich aus dem Blickfeld verbannte. Man brachte die Wäsche zu ihnen und ließ sie nicht etwa abholen. Wäschewaschen wurde so verachtet, dass man in größeren Haushalten Diener manchmal zur Strafe dazu abkommandierte. Es war furchtbar anstrengend. In einem großen Landhaus stand das Personal leicht vor sechs-, siebenhundert Kleidungsstücken, Handtüchern und Bettwäscheteilen pro Woche. Weil es vor den 1850er Jahren keine Waschmittel gab, musste die Wäsche gegebenenfalls in Seifenwasser oder Lauge eingeweicht, dann kräftig geschlagen und geschrubbt, eine Stunde oder mehr gekocht, mehrfach gespült, mit der Hand ausgewrungen oder (nach ungefähr 1850) durch eine Walze gedreht, nach draußen getragen und dort über einer Hecke oder auf einer Wiese zum Trocknen ausgebreitet werden. (Und da auf dem Land die Wäsche draußen gern gestohlen wurde, musste jemand aufpassen, bis sie trocken war.) Laut Judith Flanders im Viktorianischen Haus erforderte eine normale Ladung Wäsche — mit Bett- und anderer Haushaltswäsche — mindestens acht verschiedene Arbeitsgänge. Aber viele Ladungen waren alles andere als normal. Schwierige oder zarte Stoffe mussten mit größter Sorgfalt behandelt werden und die Teile an Kleidungsstücken, die aus anderen Stoffen waren — aus Samt oder Spitze zum Beispiel —, sorgsam abgetrennt, separat gewaschen und dann wieder angenäht werden.
    Weil die meisten Farben nicht haltbar und sehr empfindlich waren, musste man, je nachdem, ob man die Farbe schützen oder auffrischen wollte, exakte Dosen diverser Chemikalien ins Wasser geben: Alaun und Essig für Grün, Backpulver für Lila, Schwefelsäure für Rot. Versierte Wäscherinnen hatten außerdem einen ganzen Katalog von Rezepten zum Entfernen der verschiedensten Flecken. Leinen wurde oft zwecks Bleiche in abgestandenen Urin oder eine schwache Lösung aus Geflügelexkrementen gelegt, doch da das natürlich nicht gerade duftete, musste es zusätzlich mehrere Male in Kräuterextrakten gründlich ausgespült werden.
    Das Stärken bereitete oft so viel Mühe, dass man es auf den nächsten Tag verschob. Auch das Bügeln war ein schier unüberwindlicher Berg Arbeit. Da die Bügeleisen schnell kalt wurden, mussten sie schon nach kürzester Zeit gegen frisch erhitzte ausgetauscht werden. In der Regel war man mit einem zugange, und zwei wurden warm gemacht. Weil sie schwer waren, musste man sie obendrein mit viel Kraft herunterdrücken, damit die Wäsche schön glatt wurde. Andererseits hieß es stets, vorsichtig und sorgsam zu Werke zu gehen, weil man die Hitze nicht regulieren und einen Stoff leicht versengen konnte. Und weil man die Bügeleisen über einem offenen Feuer erhitzte, wurden sie auch dauernd rußig, so dass man sie in einem fort abwischen musste. Die Stärke, die beim Bügeln von Stärkewäsche unter dem Bügeleisen kleben blieb, musste mit Sandpapier oder einer Nagelfeile abgeschmirgelt werden.
    Am Waschtag hieß es für die Dienerinnen oft schon um drei Uhr morgens aufstehen, damit das Wasser zeitig heiß war. In vielen Häusern, in denen es nur eine Dienerin gab, wurde für den Tag eine Wäscherin von außerhalb angeheuert. Manche Leute gaben ihre Schmutzwäsche außer Haus, doch bis zur Erfindung von Karbolsäure und anderen gut wirkenden Desinfektionsmitteln hatte man immer Angst, dass die Wäsche mit einer gefürchteten Krankheit wie Scharlach infiziert zurückkam. Überhaupt wusste man ja nie — igitt! —, mit wessen Wäsche die eigene gewaschen worden war. Whiteley's, ein großes Londoner Kaufhaus, bot mit Beginn des Jahres 1892 einen Wäschereiservice an, der aber nur stockend lief, bis ein Angestellter auf die Idee kam, per Aushang bekannt zu geben, dass die Kleidung von Bediensteten und Herrschaften selbstverständlich separat gewaschen werde. Bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein schickten viele der betuchtesten Einwohner Londons ihre

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