Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Dienerinnen nicht ankleideten, seine Schläge einsteckten oder sich von ihm befummeln ließen, mussten sie ihm das Haar kämmen und die Ohren waschen. Und zwar zusätzlich zu einem normalen Arbeitstag mit Kochen, Putzen, Besorgungen Machen und allem Übrigen. Noch Fragen dazu, warum das Ehepaar Pepys große Schwierigkeiten hatte, Bedienstete zu finden und zu halten?
Pepys' Erfahrungen zeigen freilich auch, dass Diener einen verraten konnten. Als er 1679 seinen Butler entließ, weil der mit der Haushälterin geschlafen hatte (die interessanterweise in den Diensten ihres Herrn blieb), rächte sich der Butler, indem er seinen Ex-Arbeitgeber bei dessen politischen Feinden als Papist anschwärzte. Bei den religiösen Fanatikern jener Zeit kam das gar nicht gut an, und Pepys wurde sofort im Tower eingekerkert. Nur weil der Butler ein schlechtes Gewissen bekam und zugab, dass er das Ganze erfunden habe, wurde Pepys wieder freigelassen. Doch es war eine schmerzliche Mahnung daran, dass Herren ebenso der Gnade ihrer Diener ausgeliefert sein konnten wie Diener der ihrer Herren.
Allgemein wissen wir nicht viel über Diener, weil ihre Existenz schriftlich natürlich kaum festgehalten wurde. Eine interessante Ausnahme ist Hannah Cullwick, die fast vierzig Jahre lang ungewöhnlich gründlich Tagebuch führte. Sie wurde 1833 in Shropshire geboren und ging mit acht Jahren in Dienst als sogenanntes Topfmädchen, also als Küchenmagd. In ihrem langen Berufsleben durchlief sie viele Stationen einer Dienerinnenkarriere und war zuletzt Beiköchin, Köchin und Haushälterin. In allen Funktionen waren die Aufgaben körperlich anstrengend und die Arbeitsstunden lang. Hannah Cullwick begann mit dem Tagebuch im Jahr 1859, da war sie fünfundzwanzig, und führte es bis kurz vor ihrem fünfundsechzigsten Geburtstag. Wegen dieser langen Zeitspanne ist es der vollständigste Bericht über den Alltag einer Dienerin überhaupt. Wie die meisten Haushaltsbediensteten arbeitete Hannah von vor sieben Uhr morgens bis neun oder zehn Uhr abends und manchmal noch länger. Die Tagebücher sind eine endlose, weitgehend emotionslose Auflistung der erledigten Arbeiten. Hier ist ein typischer Eintrag vom vierzehnten Juli 1860:
Fensterläden geöffnet & Küchenfeuer angezündet. Das rußige Kehrblech in den Staubeimer ausgeschüttet & Ruß ausgekippt. Zimmer & Flur geputzt & Staub gewischt. Kamin fertig gemacht & Frühstück hinaufgetragen. Zwei Paar Schuhe geputzt. Betten gemacht & das Nachtgeschirr geleert. Frühstückssachen zusammengeräumt & gespült. Weggestellt. Küche aufgeräumt; einen Korb ausgepackt. Zwei Hühnchen zu Mrs. Brewer & Antwort mit zurückgebracht. Torte gebacken, zwei Enten gerupft, ausgenommen & gebraten. Treppen &
Fliesen auf den Knien geputzt. Fußabstreifer vor dem Haus mit Reißblei gewichst; Straßenfliesen auch auf den Knien geputzt. In der Spülküche abgewaschen. Speisekammer auf Knien geputzt & die Tische abgeschrubbt. Fliesen im ganzen Haus geschrubbt & Fenstersimse abgewischt. Tee für den Herrn & Mrs. Warwick gemacht [...] Boden in Flur, Durchgang & Spülküche auf Knien gereinigt. Hund gewaschen & Spülsteine gründlich gesäubert. Abendessen fertig gemacht, damit Ann es hochbringen konnte, denn ich war zu schmutzig & zu müde, um hinaufzugehen. Mich in einer Wanne gewaschen, & dann ab ins Bett.
Das ist ein typischer Tag, an dessen Ende die Leute nur noch fix und fertig waren. Ungewöhnlich ist nur, dass Hannah es geschafft hat zu baden. An den meisten Tagen beschließt sie den Eintrag mit einem erschöpft fatalistischen »schlief in meinem Schmutz».
Über den nüchternen Bericht ihrer Pflichten hinaus war eines noch außergewöhnlicher in Hannah Cullwicks Leben. Sie war sechsunddreißig Jahre, von 1873 bis zu ihrem Tode 1909, heimlich mit ihrem Arbeitgeber verheiratet, einem Beamten und unbedeutenden Dichter namens Arthur Munby, der Familie oder Freunden nie etwas davon sagte. Wenn Munby und sie allein waren, lebten sie wie Ehemann und Ehefrau, doch wenn Besucher kamen, schlüpfte Cullwick wieder in die Rolle der Dienerin: Blieben Gäste über Nacht, verließ sie das Ehebett und schlief in der Küche. Munby, ein Mann von einigem Ansehen, zählte Ruskin, Rossetti und Browning zu seinen Freunden, und sie verkehrten auch in seinem Haus, doch keiner hatte die leiseste Ahnung, dass die Frau, die Sir zu ihm sagte, in Wirklichkeit seine Gattin war. Selbst »privat« war ihre Beziehung, gelinde gesagt, unorthodox. Auf sein
Weitere Kostenlose Bücher