Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
konnten, aßen sie auch. Charles II. hielt Ambra mit Eiern für das leckerste Gericht der Welt. (Der Geschmack von Ambra erinnert angeblich an den von Vanille.) Doch wie dem auch sei, die Ambra samt all dem kostbaren Walrat machte Pottwale zu einer hoch attraktiven Jagdbeute.
Gemeinsam mit anderen Walölen war das von Pottwalen auch wehr begehrt in der Industrie: als Weichmacher bei der Herstellung von Seife und Farben und als Schmiermittel für Maschinen. Die großen Wale lieferten darüber hinaus eine erfreuliche Menge Fischchbein, eine knochenartige Substanz aus den Oberkiefern oder Barten, aus der man robuste, aber flexible Korsettstangen, Griffe von Kutschenpeitschen und alle möglichen Gegenstände fabrizierte, die eine gewisse natürliche Elastizität brauchten.
Der Walfang war hauptsächlich Sache der Amerikaner. Schon wehr früh wurden neuenglische Häfen wie Nantucket und Salem vom Walgeschäft reich. 1846 hatten die USA mehr als 650 Wal-o Fangschiffe, grob dreimal so viel wie der Rest der Welt zusammen. Da Waltran aber überall in Europa hoch besteuert wurde, benutzten die Leute zu Beleuchtungszwecken eher Rüböl, das sie aus Rübsamen machten (einem Vertreter der Gattung Kohl), oder Camphen, ein Terpentinderivat, das exzellentes Licht gab, aber hochgradig instabil war und manchmal — sehr zum Ärger der Betroffenen — explodierte.
Niemand weiß, wie viele Wale während des großen Zeitalters des Walfangs abgeschlachtet wurden, doch man schätzt, dass es In den vier Jahrzehnten bis 1870 etwa dreihunderttausend waren. I )as mag nicht über Gebühr viel erscheinen, doch die Wale waren von vornherein nicht sehr zahlreich. Die Jagd brachte jeden falls viele Arten an den Rand der Ausrottung, und als die Anzahl der Meeressäuger geringer wurde, dauerten die Fangfahrten zu Ihnen immer länger; üblich wurden bis zu vier Jahre, auch fünf waren nicht unbekannt. Es trieb die Walfänger in die einsamsten Ecken der entlegensten Meere. Was natürlich zu immer größeren Kosten führte. In den 1850er Jahren belief sich der Preis für eine Gallone (gut dreidreiviertel Liter) Waltran auf zwei Dollar fünfzig, die Hälfte des durchschnittlichen Wochenlohns eines Arbeiters, doch die Jagd ging erbarmungslos weiter. Viele Walarten, na, womöglich alle wären wohl für immer verschwunden, wenn nicht mehrere unvermutete Ereignisse eingetreten wären. Das erste 1846 in Nova Scotia, wo ein Mann namens Abraham Gesner etwas erfand, das eine Zeitlang das wertvollste Produkt auf Erden werden sollte.
Gesner war von Beruf Arzt, aber er hegte eine merkwürdige Begeisterung für geologische Studien und die Beschaffenheit von Kohle. Als er mit Kohlenteer experimentierte, einer nutzlosen, klebrigen Masse, die übrig blieb, wenn man Kohlengas herstellte, ersann er eine Methode, aus ihr eine leicht entflammbare Flüssigkeit zu gewinnen, die er aus unerfindlichen Gründen Kerosin nannte. Kerosin brannte wunderbar, gab ein ebenso starkes, gleichmäßiges Licht wie Waltran und war viel billiger in der Herstellung. Das Problem war nur, dass man nicht wusste, wie man es in großen Mengen produzieren konnte. Gesner erzeugte so viel, dass es zur Beleuchtung der Straßen von Halifax reichte, und gründete schließlich auch eine Fabrik in New York, die ihm einen sicheren Wohlstand bescherte, doch Kerosin aus Kohle war und blieb in der übrigen Welt eine Randerscheinung. Ende der 1850er Jahre wurden in den Vereinigten Staaten gerade mal sechshundert Fässer mit knapp 160 Litern am Tag produziert. (Der Kohlenteer selbst fand dagegen schon bald Anwendung in einer großen Zahl von Produkten: Farben, Färbemitteln, Pestiziden, Medikamenten und mehr. Kohlenteer begründete quasi die moderne chemische Industrie.)
In diese verfahrene Situation trat unerwartet ein weiterer Held, ein kluger junger Mann namens George Bissell, der nach einer kurzen, aber erfolgreichen Karriere im öffentlichen Schulwesen in New Orleans gerade seinen Posten als Oberschulrat gekündigt hatte. Als er 1853 seine Heimatstadt Hanover in New Hampshire besuchte und bei der Gelegenheit bei einem Professor seiner Alma Mater, dem Dartmouth College, vorbeischaute, sah er eine Flasche Steinöl auf dem Regal des Professors stehen. Der Professor erzählte ihm, im Westen Pennsylvanias dringe Steinöl — das wir heute Erdöl nennen würden — an die Oberfläche, und ein Lappen, den man hineintauche, brenne, doch habe bisher niemand eine Verwendung dafür gefunden außer in
Weitere Kostenlose Bücher