Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends und samstags von sieben bis vierzehn Uhr an ihren Arbeitsplätzen sein, und während auftragsreicher Perioden im Jahr — die als »rege Zeiten« bezeichnet wurden — konnten sie sogar von drei Uhr morgens bis zehn Uhr abends an ihren Maschinen festgehalten werden, was zu einem neunzehnstündigen Arbeitstag führte. Bis zur Verabschiedung der Fabrikgesetze 1833 mussten schon siebenjährige Kinder genauso lange arbeiten. Unter solchen Bedingungen aßen und schliefen die Menschen natürlich, wann immer sie gerade konnten.
Die Reichen ließen es ruhiger angehen. Die Schriftstellerin Fanny Burney schrieb 1768 über das Leben auf dem Land: »Wir frühstücken immer um zehn und stehen so viel früher auf, wie es uns beliebt; Punkt zwei Uhr speisen wir, trinken um sechs Tee und nehmen exact um neun Uhr das Abendessen ein.« Dieser Tagesablauf klingt in zahllosenTagebüchern und Briefen anderer Menschen ihrer Klasse nach. »Ich werde einen Bericht über einen Tag gehen, dann haben Sie alle Tage«, schrieb eine junge Briefpartnerin dem Historiker Edward Gibbon im Jahr 1780. Ihr Tag, erzählte sie, beginne um neun, und Frühstück gebe es um zehn. »Und gegen elf dann spiele ich auf dem Cembalo, oder ich zeichne; um eins übersetze ich und gehe um zwei noch einmal nach draußen, um drei lese ich im Allgemeinen, und um vier gehen wir zum Essen, nach dem Dinner spielen wir Backgammon, wir trinken Tee um sieben, und ich arbeite oder spiele Pianoforte bis zehn, dann essen wir ein paar Bissen zu Abend, und um elf gehen wir zu Bett.«
Es gab verschiedene Arten der Beleuchtung, nach modernen Mußstäben alle längst nicht ausreichend. Das Primitivste waren Binsenlichter, die man aus Blaugrünen Binsen herstellte — das hieß auf knapp fünfzig Zentimeter Länge stutzte und in Tierfett, normalerweise Hammelfett, tauchte. Dann steckte man sie in Metallhalter und ließ sie abbrennen wie eine dünne, spitz zulaufende Wachskerze. Eine Binsenlampe brannte normalerweise fünfzehn bis zwanzig Minuten, da war also schon ein reicher Vorrat an Binsen und Geduld nötig, um einen langen Abend zu gestalten. Einmal im Jahr, im Frühling, erntete man die Binsen, musste also sorgfältig berechnen, wie viel Licht man in den nächsten zwölf Monaten brauchte.
Die Bessergestellten hatten Kerzen. Die gab es aus Talg und aus Wachs. Talg, aus ausgelassenem Tierfett, hatte den großen Vorteil, dass man ihn zu Hause aus jedem geschlachteten Tier machen konnte, er also billig war, zumindest bis 1709. Da nämlich erließ das Parlament in London unter dem Druck der Kerzenziehergilde ein Gesetz, nach dem es verboten war, zu Hause Kerzen herzustellen. Das Verbot führte zu großem Ärger auf dem Land und wurde, wenn auch mit einem gewissen Risiko, sicher nach Kräften missachtet. Binsenleuchten durften die Leute noch machen, wenn dieses Zugeständnis auch manchmal wertlos war, weil man für Binsenleuchten eine Menge Tierfett brauchte und die Bauern in Notzeiten keine Tiere zum Schlachten hatten. Da mussten sie dann eben ihre Abende nicht nur hungrig, sondern auch im Dustern verbringen.
Talg war ein nerviges Material. Weil er so schnell schmolz, flackerte die Kerze immer, und man musste sie bis zu vierzig Mal in der Stunde schneuzen, das heißt den Docht nachschneiden. Außerdem verbrannte Talg mit ungleichmäßigem Licht und stank. Und weil die Talgkerze eigentlich nur eine Stange verwesender organischer Materie war, stank sie umso übler, je älter sie war. Weit besser waren Kerzen aus Bienenwachs. Die gaben ein gleichmäßigeres Licht und mussten weniger geschneuzt werden, kosteten aber auch ungefähr viermal so viel und wurden deshalb nur zu besonderen Gelegenheiten benutzt. Wie viel Beleuchtung man sich gönnte, war ein aufschlussreicher Indikator für den sozialen Status. Elizabeth Gaskell hat in einem ihrer Romane eine Figur, Miss Jenkyns, geschaffen, die immer zwei Kerzen stehen hatte, aber nur eine brennen ließ und gewissenhaft zwischen beiden abwechselte, damit sie stets gleich lang blieben. Wenn Miss Jenkyns Gäste hatte, kamen die gar nicht auf die peinliche Idee, dass ihre Gastgeberin sparen musste.
Wo ein Mangel an herkömmlichen Brennstoffen herrschte, nahmen die Leute, was sie bekamen — Stechginster, Farn, Seetang, getrockneten Mist, alles, was brannte. Auf den Shetland-Inseln enthielten Sturmschwalben so viel natürliches Öl, dass die Leute ihnen manchmal nur einen Docht in die Kehle rammten
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