Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
man sowohl in der Küche als auch im Wohnzimmer immer einen Ofen und vielleicht noch woanders offene Kamine, dann brauchte man sich über mangelnde Beschäftigung nicht zu beklagen. Ein anderer erheblicher Nachteil geschlossener Öfen war, dass sie dem Raum eine Menge Licht wegnahmen.
Die Verbindung von offenem Feuer und entzündlichen Materialien hatte das tägliche Leben in der vorelektrischen Welt durch und durch beunruhigend und aufregend gemacht. Samuel Pepys notierte in seinem Tagebuch, dass er einmal, über eine Kerze gebeugt, an seinem Schreibtisch arbeitete und plötzlich einen schrecklichen beißenden Gestank wie nach brennender Wolle bemerkte. Als Nächstes begriff er, dass seine neue und sehr teure Perücke lichterloh in Flammen stand. Solche kleinen Brände passierten dauernd. In fast allen Zimmern eines Hauses brannte ein offenes Feuer, zumindest zu bestimmten Tageszeiten, und es brauchte nicht viel, um ein Haus niederzubrennen, denn beinahe alles darin oder darauf, von Strohbetten bis zu reetgedeckten Dächern, war sozusagen Heizmaterial auf Abruf. Um die Gefahren bei Nacht zu verringern, wurden die offenen Feuer mit einem gewölbten Deckel zugedeckt, aber dass mal ein Funken heraussprang, konnte man trotzdem nie ganz ausschließen.
Technische Verbesserungen sorgten manchmal für besseres Licht, erhöhten aber auch das Risiko eines Brandes. Argand-Lampen waren kopflastig, weil der Brennstoff weit oben gelagert werden musste, damit er auf den Docht fließen konnte. Wenn man Kerosin umkippte oder verschüttete und es Feuer fing, war meist alles zu spät. 1870 starben allein in den Vereinigten Staaten sechstausend Menschen jährlich bei Bränden, die durch Kerosin verursacht worden waren.
Stets drohten auch Brände an öffentlichen Orten, besonders nach der Entwicklung einer jetzt vergessenen, aber damals sehr gebräuchlichen Form der Beleuchtung, dem Drummond'schen Licht oder Kalklicht, benannt nachThomas Drummond von den Königlichen Ingenieuren Großbritanniens, dem allgemein, aber fälschlich dessen Erfindung zu Beginn der 1820er Jahre zuerkannt wurde. In Wirklichkeit wurde die Lampe von Sir Goldsworthy Gurney, einem Ingenieurskollegen von Drummond und Erfinder mit beträchtlichem Talent, erdacht. Drummond sorgte nur für ihre allgemeine Verbreitung und behauptete nie, er habe sie erfunden. Doch aus irgendeinem Grunde wurde ihm das Verdienst zugeschrieben, und dabei blieb es. Die Lampe basierte auf einem schon lange bekannten Phänomen — dass man nämlich ein intensives weißes Licht bekam, wenn man ein Stück Kalk oder Magnesium in einer wirklich heißen Flamme verbrannte. Gurney nährte eine Flamme mit einer großzügigen Mischung aus Sauerstoff und Alkohol und schaffte es, darin eine Kalkkugel, nicht größer als eine Kindermurmel, so effizient zu erhitzen, dass man das Licht noch in fast einhundert Kilometern Entfernung sehen konnte. Das Verfahren wurde erfolgreich in Leuchttürmen angewendet, aber auch in Theatern. Das Licht war nicht nur perfekt und gleichmäßig, sondern man konnte es auf der Bühne auch in einem Strahl bündeln und auf einzelne Schauspieler richten. Der Nachteil war wiederum, dass die starke Hitze des Kalklichts ommer für einen Brand gut war. Im Laufe von hundert Jahren brannten in den Vereinigten Staaten mehr als vierhundert Theater ab. Über das gesamte neunzehnte Jahrhundert hinweg starben on Großbritannien laut dem 1899 veröffentlichten Bericht von William Paul Gerhard, dem führenden Brandexperten der Zeit, zehntausend Menschen bei Theaterbränden.
Auch auf Reisen waren Brände eine stete Gefahr, ja, oft noch bedrohlicher, weil Fluchtmöglichkeiten begrenzt oder gar nicht gegeben waren. 1858 fing das Einwandererschiff Austria auf hoher See mit Kurs auf die Vereinigten Staaten Feuer, und fast fünfhundert Menschen starben elendiglich, als das Schiff unter ihnen wegbrannte. Auch Eisenbahnzüge waren gefährlich. Von etwa 1840 an gab es Personenwagen mit Öllampen zum Lesen und Holz- oder Kohleöfen im Winter; was die in einem dahinruckelnden Zug für Katastrophen hervorrufen konnten, kann man sich leicht ausmalen. Noch 1921 kamen siebenundzwanzig Menschen bei einem Heizungsbrand in einem Zug bei Philadelphia um.
Auf festem Boden hatte man am meisten Angst davor, dass die Brände außer Kontrolle gerieten, sich ausbreiteten und ganze Stadtviertel zerstörten. Der berühmteste Brand in der Geschichte ist gewiss das Große Feuer von London im Jahre 1666, das ganz
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