Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
klein in einer Bäckerei unweit der London Bridge begann, sich aber rasch auf eine Länge von achthundert Metern weiterfraß. Bis nach Oxford konnte man den Rauch sehen und ein zartes, unheimliches Knistern hören. 13 200 Häuser und 140 Kirchen wurden zerstört.
Eigentlich war es der zweite große Stadtbrand in London. 1212 hatte einer viel verheerender gewütet. In seinen Ausmaßen nicht so groß wie der von 1666, aber schneller, rasender, sprang er mit solch schrecklicher Geschwindigkeit von einer Straße zur anderen, dass viele flüchtende Einwohner überholt wurden oder ihre Fluchtwege blockiert fanden. 12 000 Menschen starben. Im Gegensatz dazu kamen 1666, soweit man weiß, nur fünf Menschen um. 454 Jahre lang hieß der Brand von 1212 Großer Brand von London. Dabei hätte man es meines Erachtens auch belassen sollen.
Die meisten Städte wurden von Zeit zu Zeit von furchtbaren Bränden heimgesucht, manche wiederholt. Boston brannte 1653, 1676, 1679, 1711 und 1761. Dann war erst mal Ruhe bis zum Winter 1834, als ein Feuer in einer Nacht den größten Teil der Innenstadt — siebenhundert Gebäude — verschlang und derartig wütete, dass die Flammen auf Schiffe im Hafen übergriffen. Doch alle Stadtbrände sind ein Klacks im Vergleich zu dem, der in einer windigen Nacht im Oktober 1871 durch Chicago tobte, als in einem Stall in der DeKoven Street die Kuh einer Mrs. Patrick O'Leary angeblich eine Kerosinlampe umstieß und rasch das grauenhafteste Chaos folgte. Das Feuer zerstörte 18 000 Gebäude und machte 150 000 Menschen obdachlos. Der Schaden betrug mehr als 200 Millionen Dollar, und einundfünfzig Versicherungsgesellschaften gingen daran bankrott.
Dort, wo die Häuser dicht zusammenstanden wie in europäischen Städten, konnte man bei Bränden nicht viel tun, doch dann hatte man eine gute Idee. Ursprünglich verliefen die Dachträgerbalken in englischen Reihenhäusern parallel zur Straße; sie gingen gleich durch mehrere Häuser oder stießen an die des nächsten Hauses. Damit ergab sich eine fortlaufende Linie von Balken an der Straße entlang, die das Risiko, dass sich ein Feuer von Haus zu Haus verbreitete, erheblich vergrößerte.
Von Beginn des achtzehnten Jahrhunderts an brachte man die Balken dann von vorn nach hinten an, so dass die Trennwände zu Brandmauern wurden. Wenn die Balken aber von vorn nach hinten verliefen, mussten auch die sie tragenden Wände entsprechend verlaufen, was die Zimmergrößen bestimmte und die wiederum, wie die Zimmer genutzt wurden und wie man in den Häusern lebte.
Eine weitere Energiequelle allerdings versprach mit all den beschriebenen Gefahren und Unzulänglichkeiten aufzuräumen: die Elektrizität. Eine tolle Sache — wie man sie aber praktisch nutzen konnte, war schwer herauszufinden. Luigi Galvani demonstrierte anhand von Froschbeinen und Elektrizität aus einfachen Batterien, dass Strom Muskeln zucken ließ, während sein Neffe Giovanni Aldini schnell begriff, wie man daraus Geld machen konnte, und eine Bühnenshow ersann, in der er mit Strom die Leichen gerade exekutierter Mörder und die Köpfe von Guillotine-Opfern »belebte«, deren Augen sich öffneten und deren Münder sich lautlos verzogen. Logisch, dass man nun, da Strom die Toten erweckte, Wunderdinge auch für die Lebenden erwartete. In geringen Dosen (hoffen wir's) wurde Strom bei allen möglichen Krankheiten eingesetzt, von Verstopfung bis dazu, junge Männer vor unstatthaften Erektionen zu bewahren (oder zumindest davor, selbige Erektionen zu genießen). Charles Darwin, dem ein mysteriöses Leiden oft jegliche Antriebskraft raubte und ihn sein Leben lang in Verzweiflung trieb, schlang immer wieder unter Strom gesetzte Zinkketten um sich, übergoss sich mit Essig und ertrug verdrossen stundenlanges sinnloses Kribbeln in der Hoffnung, dass irgendeine Besserung eintreten werde. Stets vergeblich. Präsident James Garfield, der langsam an der Kugel eines Attentäters starb, drückte leise, aber deutliche Besorgnis aus, als er merkte, dass Alexander Graham Bell ihn mit unter Strom stehenden Drähten umschlag, um die Kugel zu orten.
Eigentlich aber brauchte man ja nur ein praktisches elektrisches Licht. 1846, ziemlich aus dem Blauen heraus, ließ sich ein Frederick Hale Holmes eine elektrische Bogenlampe patentieren. Holmes erzeugte das Licht, indem er einen starken elektrischen Strom zwischen zwei Graphitstäben fließen ließ, ein Kunststück, das Humphry Davy schon vierzig Jahre zuvor gezeigt
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