Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
glühen. Jetzt galt es nur noch, ein passendes Material für den Glühfaden zu finden.
Die entschlossenste und publizistisch am besten begleitete Suche unternahm Thomas Edison, der bedeutendste Erfinder der Vereinigten Staaten. Als er 1877 nach einer kommerziell erfolgreichen Beleuchtungsart zu forschen begann, bastelte er schon eifrig an seinem Ruf als »Zauberer aus Menlo Park«. Ein rundum reizendes Menschenwesen war er nicht. Er hatte keine Skrupel zu lügen und betrügen, und war allzeit bereit, Patente zu stehlen oder Journalisten für eine positive Berichterstattung zu bestechen. In den Worten eines seiner Zeitgenossen hatte er »ein Vakuum, wo sein Gewissen sein sollte«. Doch er war risikofreudig, ein unvergleichlich guter Organisator und harter Arbeiter.
Er schickte Männer in die entlegensten Ecken der Welt, wo sie nach brauchbaren Glühfäden suchten, und beschäftigte andere, die manchmal gleichzeitig mit bis zu zweihundertfünfzig Materialien experimentierten, um eines zu finden, das die notwendige Haltbarkeit und den notwendigen Widerstand hatte. Sie probierten alles aus, sogar Haar aus dem üppigen roten Bart eines Familienfreundes. Kurz vor Thanksgiving 1879 verkohlten sie ein Stück Pappe, verdrehten es fest und falteten es sorgsam, und es brannte auch dreizehn Stunden, aber das war bei Weitem nicht lang genug. Am letzten Tag des Jahres 1879 lud Edison ein ausgewähltes Publikum ein, Zeuge einer Demonstration seiner neuen Glühlampe zu werden. Als die Leute sich seinem Haus in Menlo Park in New Jersey näherten, wurden sie vom Anblick zweier warm schimmernder Gebäude geradezu umgehauen. Dass der warme Schimmer zum Großteil gar nicht elektrisch erzeugt wurde, merkten sie nicht. Edisons völlig überlastete Glasbläser hatten nur vierunddreißig Birnen herstellen können, die Helligkeit kam überwiegend von sorgsam verteilten Öllampen.
Swan beschäftigte sich erst 1877 wieder mit elektrischer Beleuchtung, er arbeitete allein und erfand unabhängig von Edison ein mehr oder minder identisches Beleuchtungssystem. Im Januar oder Februar 1879 führte er seine neue elektrische Glühlampe in Newcastle öffentlich vor. Die Ungewissheit hinsichtlich des Datums rührt daher, dass man nicht sicher ist, ob er die Funktionsweise seiner Lampe bei einem öffentlichen Vortrag im Januar zeigte oder nur darüber sprach. Im nächsten Monat jedoch entzündete er die Lampe vor einem dankbaren Publikum: Seine Schau fand also mindestens acht Monate früher statt als alles, was Edison zeigte. Im selben Jahr noch installierte er Lampen in seinem eigenen Heim und hatte — wieder lange bevor Edison Ähnliches vollbrachte — 1881 schon im Haus des großen Wissenschaftlers Lord Kelvin in Glasgow Strom verlegt.
Aber als Edison seine erste Beleuchtung installierte, geschah das mit viel mehr öffentlichem Tamtam. Er schloss im südlichen Teil Manhattans, um die Wall Street herum, ganze Straßenzüge an Strom an, der in einem Kraftwerk erzeugt wurde, das man in zwei halb verfallenen Gebäuden in der Pearl Street eingerichtet hatte. Im Winter, Frühling und Sommer 1881/82 verlegte Edison mehr als zwanzig Kilometer Stromkabel und testete sein System immer und immer wieder wie besessen. Nicht alles ging glatt. Pferde wurden in der elektrifizierten Umgebung unruhig, bis man merkte, dass ihre Hufeisen von austretendem Strom kribbelten. In Edisons Werkstätten verloren mehrere Arbeiter die Zähne, weil die Belastung durch das Quecksilber aus Sprengels Pumpe zu hoch war. Doch schließlich waren alle Probleme gelöst, und am Nachmittag des vierten September 1882 legte Edison im Büro des Finanzmagnaten J.P. Morgan einen Schalter um, und achthundert elektrische Glühbirnen in den fünfundachtzig an dem Projekt beteiligten Firmen erstrahlten.
Unübertroffen war Edison als Organisator. Die Erfindung der Glühbirne war wunderbar, aber ohne jeden praktischen Nutzen, solange niemand einen Stecker hatte, an dem er sie anschließen konnte. Edison und seine unermüdlichen Helfer mussten das gesamte System von Anfang an erfinden und umsetzen, vom Bau der Kraftwerke über die Verlegung von Kabeln bis zu Lampenständern und Schaltern. Binnen Monaten hatte er in der ganzen Welt nicht weniger als 334 kleine Kraftwerke errichten lassen, und nach einem Jahr lieferten seine Kraftwerke Strom für 13 000 Glühbirnen. Geschickt verteilte er sie an Orten, an denen sie den größten Eindruck machten: an der NewYorker Börse, im Palmer House Hotel in
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