Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
Chicago, in der Mailänder Scala, im Speisesaal des Unterhauses in London. In der Zeit produzierte Swan noch weitgehend bei sich zu Haus. Anders gesagt: Großen Weitblick besaß er nicht. Er meldete nicht einmal ein Patent an. Das tat Edison dagegen überall, auch 1879 in Großbritannien, und sicherte sich so seine Vormachtstellung.
    Mit modernen Maßstäben gemessen waren die ersten elektrischen Glühlampen ziemlich schwach, doch für die Menschen damals ein Wunder an Strahlkraft — »eine kleine Kugel aus Sonnenlicht, wahrhaftig Aladins Wunderlampe«, berichtete atemlos ein Journalist des New York Herald. Heute kann man sich nur noch schwer vorstellen, wie hell, sauber und geradezu unheimlich zuverlässig die neue Erfindung war. Als in der Fulton Street im September 1882 die Lichter angezündet wurden, beschrieb der tief beeindruckte Reporter des Herald seinen Lesern, wie das gewohnte »trübe Flackern des Gases« sich plötzlich in strahlende »stetige Helligkeit [...] solide und unerschütterlich« verwandelte. Es war aufregend, aber sich daran zu gewöhnen sollte eine Weile dauern.
    Und natürlich konnte man den elektrischen Strom auch noch für vieles andere als nur zu Beleuchtungszwecken verwenden. Schon 1893 wurde bei der World's Columbian Exposition in Chicago, einer weiteren Weltausstellung, eine mit elektrischem Strom betriebene Musterküche vorgestellt. Auch die war aufregend, wenn auch — vorerst — nicht sehr praktisch. Da es noch keine allgemeine Stromversorgung gab, mussten sich die meisten Hausbesitzer ihr eigenes »Kraftwerk« im Garten bauen. Und selbst die, die Glück hatten und den Strom von einem Versorger geliefert bekamen, erhielten nicht soviel, dass die Geräte einwandfrei funktionieren konnten. Schon einen Ofen vorzuheizen dauerte eine Stunde. Und dann schaffte er auch nicht mehr als sehr bescheidene sechshundert Watt, und man konnte die Herdplatte nicht gleichzeitig mit dem Ofen benutzen. Im Design waren weitere Mängel zu beklagen. Die Knöpfe zum Regulieren der Hitze befanden sich zum Beispiel knapp über dem Fußboden. Und modernen Augen würden diese neuen elektrischen Öfen komisch vorkommen, weil sie aus Holz, meist aus Eichenholz, gebaut und innen mit Zink oder einem anderen schützenden Material ausgekleidet waren. Modelle aus weißem Porzellan gab es erst in den 1920er Jahren, und damals betrachtete man sie noch mit Skepsis. Viele Leute fanden, sie gehörten in ein Krankenhaus oder eine Fabrik und nicht in Privathäuser.
    Obwohl die Stromversorgung besser wurde, fanden es viele Leute immer noch reichlich enervierend, dass sie sich auf eine Annehmlichkeit verließen, die unsichtbar war und einen rasch und lautlos umbringen konnte. Und da die meisten Elektriker in Eile ausgebildet worden waren und natürlich kaum Erfahrung hatten, wurde der Beruf rasch einer für die Wagemutigeren. Die Zeitungen berichteten immer ausführlich und recht drastisch darüber, wenn sich mal wieder einer einen Stromschlag verpasst hatte, was ziemlich regelmäßig vorkam. Hilaire Belloc schmiedete einen Knittelvers, der die allgemeine Stimmung wiedergab:
    Ein falscher Griff — leichtsinn'ger Hand entwischt
    Die Klemme — es blitzt — und zischt!
    Die Luft, sie riecht verbrannt — o Schreck! Der Elektriker, er ist für immer weg!
    Als 1896 Edisons früherer Partner Franklin Pope beim Verlegen der Kabel in seinem Haus von einem tödlichen Stromschlag niedergestreckt wurde, registrierten das viele Leute sogar mit einer gewissen Genugtuung, hatte er doch den Beweis geliefert, dass Strom selbst für Fachleute zu gefährlich war. Von schadhaften Leitungen ausgelöste Brände waren ebenfalls ein häufiges Übel. Und wenn Glühbirnen explodierten, war der Schreck immer groß, manchmal auch die Katastrophe. 1911 brannte der neue Dreamland Park auf Coney Island wegen einer geborstenen Glühbirne ab. Und da auch plötzliche Funken von schadhaften Verbindungen zur Explosion von nicht wenigen öffentlichen Gasleitungen führten, war die Angst nie sehr weit weg.
    Die zwiespältige Haltung, die lange vorherrschte, lässt sich auch bei Mrs. Vanderbilt studieren, der Gattin des Schiffs- und Eisenbahnkönigs Cornelius Vanderbilt. Sie ging zwar als elektrische Glühbirne verkleidet zu einem Kostümball, der zur Feier der Verlegung von Strom in ihrem Heim in der Fifth Avenue in New York stattfand, ließ aber kurz danach alle Leitungen wieder ausbauen, weil man sie für die Ursache eines kleinen Brandes hielt. Andere

Weitere Kostenlose Bücher