Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Menschen entdeckten heimtückischere Bedrohungen. Ein Experte namens S.F. Murphy warnte vor einer Reihe von Krankheiten, die durch Elektrizität ausgelöst würden: Augendruck, Kopfschmerzen, allgemeines Unwohlsein und womöglich sogar »das vorzeitige Verlöschen des Lebens«. Ein Architekt war der felsenfesten Überzeugung, von elektrischem Licht bekäme man Sommersprossen.
In den ersten Jahren dachte niemand an Steckdosen und Stecker; alle elektrischen Haushaltsgeräte mussten direkt an die Versorgungsleitungen angeschlossen werden. Als man um die Jahrhundertwende endlich Steckdosen einführte, waren sie immer Teil einer Deckenbeleuchtung, was hieß, man musste auf einen Stuhl oder eine Trittleiter klettern, um ein Gerät anzuschließen. Steckdosen in der Wand kamen zwar bald darauf, waren aber nicht sehr verlässlich. Die ersten knisterten und qualmten und sprühten manchmal sogar Funken. Juliet Gardiner berichtet, dass man auf Manderston, dem erwähnten Herrenhaus in Schottland, bis weit nach der Jahrhundertwende immer mit Kissen nach einer besonders lebhaften Steckdose warf.
Die Konsumlaune wurde im Übrigen dadurch gedrosselt, dass in den 1890er Jahren eine Rezession herrschte. Doch letztendlich wollten alle elektrisches Licht. Es war sauber, zuverlässig, leicht zu warten und auf Schalterdruck sofort unbegrenzt verfügbar. Gasbeleuchtung hatte ein halbes Jahrhundert gebraucht, um sich durchzusetzen, mit der elektrischen Beleuchtung ging es viel schneller. Im Jahre 1900 wurde sie zunehmend zum Standard, allemal in Großstädten, und elektrische Geräte folgten beinahe zwangsläufig: der elektrische Ventilator 1891, der Staubsauger 1901, die Waschmaschine und das elektrische Bügeleisen 1909, der Toaster 1910, Kühlschrank und Geschirrspüler 1918. Zu dem Zeitpunkt waren insgesamt schon etwa fünfzig verschiedene Haushaltsgeräte verbreitet, ja, elektrische Geräte derart en vogue, dass die Hersteller fabrizierten, was ihnen in den Sinn kam, von elektrischen Brennscheren zu elektrischen Kartoffelschälern. Der Verbrauch an Strom stieg in den Vereinigten Staaten von 79 Kilowattstunden pro Kopf im Jahre 1902 auf 960 im Jahr 1929 und schließlich auf weit über 13 000 heute.
Thomas Edison das Verdienst für einen Großteil dieser Entwicklung zuzuschreiben geht in Ordnung, doch wir sollten nie vergessen, dass er nicht das Genie war, das das elektrische Licht erfand. Er ersann Methoden, es in industriellem Maßstab zu erzeugen und an den Verbraucher zu bringen, ein natürlich viel größeres und schwierigeres Unterfangen. Allerdings auch bei Weitem profitabler. Dank Thomas Edison wurde elektrisches Licht das Wunder seiner Zeit. Interessanterweise war es auch eine der bemerkenswert wenigen Erfindungen Edisons, die wirklich so funktionierten, wie er sich das erhofft hatte. Darüber mehr im zehnten Kapitel.
Joseph Swan geriet so gründlich in Vergessenheit, dass außerhalb Englands nur wenige Menschen von ihm überhaupt schon einmal gehört haben. Und auch dort wird er nicht sonderlich gewürdigt. Das Dictionary of National Biography räumt ihm bescheidene drei Seiten ein, weniger als der Kurtisane Kitty Fisher oder jeder Menge talentloser Von und Zus. Doch immerhin mehr als Frederick Hale Holmes, der gar nicht erwähnt wird. So ist Geschichte.
Siebtes Kapitel
Das Wohnzimmer
I.
Wenn man die Geschichte der alltäglichen Dinge in einem Satz zusammenfassen müsste, könnte man sagen, es ist die Geschichte dessen, wie langsam alles bequemer wurde. Bis ins achtzehnte Jahrhundert war die Vorstellung, dass es zu Hause komfortabel sein könne, so fremd, dass es im Englischen nicht einmal ein Wort dafür gab. In unserem Haus ist von Komfort vor allem in dem Raum etwas zu spüren, in dem wir uns jetzt befinden: im Wohnzimmer.
Edward Tull benutzte bei seinem Grundriss für das Pfarrhaus das Wort drawing room, eine Abkürzung von withdrawing room, Rückzugsraum. Damit wird ein Zimmer bezeichnet, in das sich die Familie vom Rest des Haushalts zurückziehen konnte, wenn sie mehr Privatsphäre haben wollte, doch das Wort hat sich nie so recht behauptet. Ganz gewiss führte es jedoch unser wohlerzogener Mr. Marsham im Munde, obgleich er damit vermutlich zu einer Minderheit gehörte. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts sagte man nämlich außer in den feinsten Kreisen sitting room.
Wenn wir annehmen, dass Mr. Marsham doch eher konventionell war, dann hat er wahrscheinlich alles getan, um das Wohnzimmer mit feinsten, weichsten
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