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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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über nationale Grenzen und Meinungen hinwegsetzen.
    Das globale Imperium, das vor unseren Augen entsteht, wird nicht von einem bestimmten Staat oder einer bestimmten ethnischen Gruppe beherrscht. Wie das Römische Reich in seiner Spätphase wird dieses Imperium von einer multiethnischen Elite geführt und vor einer gemeinsamen Kultur und gemeinsamen Interessen zusammengehalten. Immer mehr Unternehmer, Ingenieure, Experten, Wissenschaftler, Anwälte und Manager in aller Welt stehen heute vor der Option, sich diesem Imperium anzuschließen. Sie müssen sich entscheiden, diese Möglichkeit wahrzunehmen oder ihrem Staat und Volk treu zu bleiben. Immer mehr entscheiden sich für das Imperium.
    63 Nahum Megged, The Aztecs (Tel Aviv: Dvir, 1999), S. 103.
    64 Tacitus, Agricola , Kap. 30 (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1958), S. 220–21.
    65 A. Fienup-Riordan, The Nelson Island Eskimo: Social Structure and Ritual Distribution (Anchorage: Alaska Pacific University Press, 1983), S. 10.
    66 Yuri Pines, »Nation States, Globalization and a United Empire – the Chinese Experience (third to fifth centuries BC)«, Historia 15 (1995), S. 54.
    67 Alexander Yakobson, »Us and Them: Empire, Memory and Identity in Claudius‘ Speech on Bringing Gauls into the Roman Senate«, in On Memory: An Interdisciplinary Approach , hrg. v. Doron Mendels (Oxford: Peter Land, 2007), S. 23–24.

Kapitel 12 Das Gesetz der Religion
    Auf dem mittelalterlichen Markt von Samarkand, einer Oasenstadt in der zentralasiatischen Wüste, prüften syrische Händler die Qualität feiner chinesischer Seide, wilde Steppenkrieger boten blonde Sklaven aus dem fernen Westen feil, und Händler zählten Goldmünzen mit exotischen Prägungen und den Konterfeis unbekannter Könige. In dieser Stadt, in der Handelswege aus Ost und West, Nord und Süd zusammenliefen, war die Vereinigung der Menschheit längst Alltag. Genau wie in der Armee von Kublai Khan, die sich im Jahr 1281 anschickte, Japan zu erobern. In Fell und Leder gekleidete mongolische Reiter drängten sich zwischen chinesischen Fußsoldaten mit ihren spitzen Bambushüten, betrunkene koreanische Söldner prügelten sich mit tätowierten indonesischen Seefahrern, und Männer aus Zentralasien lauschten gebannt den Geschichten über europäische Abenteurer, die alle dem Befehl eines einzigen Kaisers unterstanden.
    Im Westen der arabischen Halbinsel vereinigte sich zur gleichen Zeit die Menschheit unter einem ganz anderen Vorzeichen. Wenn Sie um das Jahr 1300 als Pilger nach Mekka gekommen wären, um dort die Kaaba, den heiligsten Schrein des Islam, zu umrunden, wären Sie dort Gruppen aus Mesopotamien in wallenden Gewändern begegnet, die ekstatisch die 99 Namen Gottes beteten. Vor Ihnen hätte sich ein türkischer Patriarch von der zentralasiatischen Steppe auf seinen Stab gestützt. Neben Ihnen wäre eine Gruppe Muslime aus dem afrikanischen Königreich Mali gegangen, auf deren schwarzer Haut goldenes Geschmeide leuchtete. Und am Aroma von Nelken, Kurkuma und Kardamom hätten sie Glaubensbrüder erkannt, die aus Indien oder von den geheimnisvollen Gewürzinseln weiter im Osten kamen.
    Heute gilt Religion oft als Inbegriff für Ausgrenzung, Streit und Hass. Doch die Religion war die dritte große Kraft, die zur Einigung der Menschheit beitrug. Da alle gesellschaftlichen Ordnungen von Menschen erfunden werden, sind sie zerbrechlich, und je größer eine Gesellschaft, umso zerbrechlicher sind sie. Den Religionen kam eine zentrale Aufgabe zu, weil sie diese zerbrechlichen Ordnungen legitimieren, indem sie auf einen übermenschlichen Willen verwiesen. Die Religionen behaupten nämlich, dass unsere Gesetze nicht etwa einer menschlichen Laune entspringen, sondern von einer absoluten Autorität angeordnet wurden. Auf dieser Grundlage lassen sich einige Prinzipien formulieren, die nicht in Zweifel gezogen werden können und der Gesellschaft ein stabiles Fundament geben.
    Eine Religion lässt sich also als ein System von menschlichen Normen und Werten definieren, die sich auf den Glauben an eine übermenschliche Ordnung stützen. Diese Definition besteht aus zwei Teilen:
    1. Religionen glauben an eine übermenschliche Ordnung, die keinen menschlichen Launen entspringt und nicht auf menschliche Vereinbarungen zurückgeht. Profifußball ist keine Religion, denn obwohl er seine eigenen Gesetze und oftmals bizarren Rituale hat, wurde der Sport von Menschen erfunden und die FIFA könnte jederzeit das Tor größer

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