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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Gesellschaften ein Viertel bis ein Drittel der Kinder nie das Erwachsenenalter. Die meisten erlagen »Kinderkrankheiten« wie Diphtherie, Masern und Pocken. Im England des 17. Jahrhunderts starben 15 Prozent aller Neugeborenen innerhalb des ersten Lebensjahrs, insgesamt ein Drittel aller Kinder starb vor dem 15. Lebensjahr. 82 Heute sterben nur 0,5 Prozent während des ersten Lebensjahrs und 0,7 Prozent vor dem 15. Lebensjahr. 83
    Um zu verstehen, was diese Zahlen bedeuten, wollen wir die Statistik beiseite lassen und uns ansehen, was dies im wirklichen Leben bedeutete. Ein gutes Beispiel ist die Geschichte von König Edward I. von England (123 7 –1307) und seiner Frau, Königin Eleanor (124 1 –1290). Das königliche Paar und seine Kinder lebten unter den besten Umständen und in der fürsorglichsten Umgebung, die das mittelalterliche Europa zu bieten hatte. Sie hatten Paläste, ausreichend zu essen, warme Kleidung, beheizte Räume, mehr oder weniger sauberes Trinkwasser, Heerscharen von Dienern und die besten Ärzte. Nach Auskunft der historischen Quellen brachte Königin Eleanor zwischen 1255 und 1284 insgesamt 16 Kinder zur Welt:
    1.Eine namenlose Tochter, geboren 1255, starb bei der Geburt.
    2.Eine Tochter namens Catherine starb im Alter von einem oder drei Jahren.
    3.Eine Tochter namens Joan starb im Alter von 6 Monaten.
    4.Ein Sohn namens John starb im Alter von 5 Jahren.
    5.Ein Sohn namens Henry starb im Alter von 6 Jahren.
    6.Eine Tochter namens Eleanor starb im Alter von 29 Jahren.
    7.Eine namenlose Tochter starb im Alter von 5 Monaten.
    8.Eine Tochter namens Joan starb im Alter von 35 Jahren.
    9.Ein Sohn namens Alphonso starb im Alter von 10 Jahren.
    10.Eine Tochter namens Margarat starb im Alter von 58 Jahren.
    11.Eine Tochter namens Berengeria starb im Alter von 2 Jahren.
    12.Eine namenlose Tochter starb kurz nach der Geburt.
    13.Eine Tochter namens Mary starb im Alter von 53 Jahren.
    14.Ein namenloser Sohn starb kurz nach der Geburt.
    15.Eine Tochter namens Elizabeth starb im Alter von 34 Jahren.
    16.Ein Sohn namens Edward.
    Edward war der lange erhoffte männliche Thronfolger, der die gefährlichen Jahre der Kindheit überlebte und schließlich als Edward II. den Thron bestieg. Im sechzehnten Anlauf kam Eleanor endlich den Erwartungen des Hofs nach. Edward II. war es jedoch nicht vergönnt, selbst einen Erben zu zeugen. Er wurde im Alter von 43 Jahren von seiner Frau Isabella ermordet. 84
    Soweit wir das heute beurteilen können, waren Edward und Eleanor gesund und hatten keine gefährlichen Erbkrankheiten. Trotzdem starben zehn von sechzehn Kindern (also 62 Prozent) noch in der Kindheit, nur sechs erreichten das elfte Lebensjahr, und davon wurden nur drei (oder 18 Prozent) vierzig oder älter. Ein einziger Sohn erreichte das Erwachsenenalter und hatte die Chance, die Dynastie fortzusetzen. Es ist gut möglich, dass Eleanor noch öfter schwanger wurde und Frühgeburten erlitt. Im Durchschnitt verloren Edward und Eleanor alle drei Jahre ein Kind. Stellen Sie sich vor, was das für eine moderne Familie bedeuten würde. Wer kann sich heute vorstellen, zehn Kinder zu beerdigen?
    Egal ob die Wissenschaft das Gilgamesch-Projekt je zu Ende bringen kann oder nicht, aus historischer Sicht ist es faszinierend zu sehen, dass der Tod bereits aus den heutigen Religionen und Ideologien verschwunden ist. Bis ins 18. Jahrhundert gab der Tod beziehungsweise das Leben danach dem Leben erst einen Sinn. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts fingen Religionen und Ideologien wie der Liberalismus, der Sozialismus und der Feminismus an, den Tod als technisches Problem zu behandeln und verloren jegliches Interesse an einem Leben danach. Was genau passiert mit einem Kommunisten, einem Kapitalisten oder einer Feministin nach dem Tod? In den Büchern von Karl Marx, Adam Smith oder Simone de Beauvoir sucht man jedenfalls vergeblich nach einer Antwort. Die einzige moderne Ideologie, die überhaupt noch vom Tod spricht, ist der Nationalismus. In besonders pathetischen und dramatischen Momenten verspricht er allen, die für ihr Vaterland sterben, das ewige Leben im Andenken der Nation. Doch dieses Versprechen ist derart vage, dass selbst Nationalisten kaum etwas damit anfangen können.
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