Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
aufs Spiel zu setzen, nur damit andere sagen: »Das ist ein echter Mann!«
Was ist denn so Besonderes an Männern?
Spätestens seit der landwirtschaftlichen Revolution haben menschliche Gesellschaften Männern einen höheren Stellenwert beigemessen als Frauen. Egal wie sie »Mann« und »Frau« im Einzelnen definierten – es war immer besser, ein Mann zu sein. Das meinen Wissenschaftler, wenn sie von »patriarchalen Gesellschaften« oder dem »Patriarchat« sprechen.
Ein Patriarchat ist eine Gesellschaft, die männliche Eigenschaften höher schätzt als weibliche. Sie bringt Männern bei, männlich zu denken und zu handeln, und sie bringt Frauen bei, weiblich zu denken und zu handeln. Wer die Grenzen zwischen den Geschlechtern nicht respektiert, wird bestraft. Doch wer sich an die Regeln hält, wird nicht unbedingt belohnt. Menschen, die das Weiblichkeitsideal erfüllen, stehen in der Regel unter Menschen, die das Männlichkeitsideal erfüllen. Die Gesellschaft investiert weniger Ressourcen in ihre Gesundheit und Bildung und spricht ihnen weniger wirtschaftliche Möglichkeiten, weniger politische Macht und weniger Bewegungsfreiheit zu. Es ist ein Wettlauf, in dem einige der Teilnehmer nur um die Bronzemedaille laufen.
49 Sheldon Pollock, »Axialism and Empire«, in Axial Civilizations and World History , hrg. v. Johann P. Arnason, S. N. Eisenstadt und Björn Wittrock (Leiden: Brill, 2005), S. 397–451.
50 Harold M. Tanner, China: A History (Indianapolis: Hackett, 2009), S. 34.
51 Ramesh Chandra, Identity and Genesis of Caste System in India (Delhi: Kalpaz Publications, 2005); Michael Bamshad u. a., »Genetic Evidence on the Origins of Indian Caste Population«, Genome Research 11 (2001): S. 904–1004; Susan Bayly, Caste, Society and Politics in India from the Eighteenth Century to the Modern Age (Cambridge: Cambridge University Press, 1999).
52 Houston, First Writing , S. 196.
53 Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Report of the Secretary-General on the In-depth Study on All Forms of Violence Against Women, Bericht für die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Doc. A/16/122/Add.1 (6. Juli 2006), S. 89.
54 Sue Blundell, Women in Ancient Greece (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1995), S. 113–29, 132–33.
Hier und da begegnen wir zwar Frauen, die es in die Alpha-Position geschafft haben – Königin Elizabeth I. von England zum Beispiel, die chinesische Kaiserin Wu Zetian im 7. Jahrhundert oder die ägyptische Pharaonin Hatschepsut (ca. 1500 v. u. Z.). Doch das sind nur die Ausnahmen, die die Regel bestätigten. Während der 45-jährigen Herrschaft von Elizabeth I. waren alle Abgeordneten des Parlaments Männer; alle Offiziere der Armee und der Marine waren Männer; alle Richter und Anwälte waren Männer; alle Bischöfe und Erzbischöfe waren Männer; alle Theologen und Priester waren Männer; alle Ärzte und Chirurgen waren Männer; alle Studenten und Professoren aller Universitäten und Colleges waren Männer; alle Bürgermeister und Polizeikräfte waren Männer; und fast alle Schriftsteller, Architekten, Dichter, Philosophen, Maler, Musiker und Wissenschaftler waren Männer.
Das Patriarchat war in fast allen landwirtschaftlichen und industrialisierten Gesellschaften die Regel. Durch alle politischen Stürme, gesellschaftlichen Revolutionen und wirtschaftlichen Umwälzungen hat es sich hartnäckig gehalten. Ägypten wurde beispielsweise im Laufe der Jahrhunderte immer wieder erobert. Das Land am Nil wurde von Assyrern, Persern, Makedoniern, Römern, Arabern, Mameluken, Türken und Briten besetzt, doch die Gesellschaft blieb immer patriarchal. In Ägypten galten die Gesetze der Pharaonen, der Griechen, der Römer, der Muslime, der Ottomanen und der Briten, doch sie alle benachteiligten Menschen, die keine »echten Männer« waren.
Da das Patriarchat derart universell ist, kann es nicht das Ergebnis eines Teufelskreises sein, der irgendwann mit einer zufälligen Begebenheit in Gang kam. Es ist zum Beispiel auffällig, dass schon vor dem Jahr 1492 die meisten Gesellschaften sowohl auf dem amerikanischen Doppelkontinent als auch in Afrika, Europa und Asien patriarchal waren, obwohl die »Neue Welt« Jahrtausende lang keinen Kontakt zum Rest der Welt hatte. Wenn das Patriarchat in der »Alten Welt« aus einem zufälligen Ereignis resultierte, warum waren dann auch die Azteken und Inkas patriarchal? Obwohl jede Kultur Männer und Frauen anders definiert, ist daher anzunehmen,
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