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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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Zeitpfeilen geführt, die wir beobachten. Es könnte aber auch in einem sehr klumpigen und ungeordneten Zustand begonnen haben. In diesem Fall hätte sich das Universum bereits in einem Zustand völliger Unordnung befunden, so daß die Unordnung mit der Zeit nicht mehr hätte wachsen können. Sie bliebe heute entweder gleich, dann gäbe es keinen festgelegten thermodynamischen Zeitpfeil, oder sie nähme ab, dann wäre die Richtung des thermodynamischen Zeitpfeils der des kosmologischen entgegengesetzt. Keine dieser Möglichkeiten entspricht unseren Beobachtungen. Doch wie gezeigt, sagt die klassische Allgemeine Relativitätstheorie ihren eigenen Zusammenbruch voraus. Wenn sich die Krümmung der Raumzeit verstärkt, gewinnt die Wirkung der Quantengravitation an Bedeutung, und die klassische Theorie ist nicht mehr in der Lage, eine gute Beschreibung des Universums zu liefern. Wir brauchen eine Quantentheorie der Gravitation, um zu verstehen, wie das Universum begonnen hat.
    Im letzten Kapitel haben wir gesehen, daß man, um den Zustand des Universums zu beschreiben, auch in einer Quantentheorie der Gravitation noch angeben müßte, wie sich die möglichen Entwicklungsgeschichten des Universums an der Grenze der Raumzeit in der Vergangenheit verhielten. Die Schwierigkeit, beschreiben zu müssen, was wir nicht wissen und nicht wissen können, läßt sich nur vermeiden, wenn die Geschichten der Keine-Grenzen-Bedingung genügen: wenn sie also endlich in der Ausdehnung sind, aber keine Grenzen, Ränder oder Singularitäten besitzen. Nach dieser Auffassung war der Anfang der Zeit ein regelmäßiger, glatter Punkt der Raumzeit, und das Universum hat seine Ausdehnung in einem sehr gleichmäßigen und geordneten Zustand begonnen. Allerdings konnte es nicht völlig gleichförmig sein, weil dies ein Verstoß gegen die Unschärferelation der Quantentheorie gewesen wäre. Es mußten also kleine Fluktuationen in der Dichte und Geschwindigkeit der Teilchen auftreten. Aus der Keine-Grenzen-Bedingung folgt jedoch, daß diese Fluktuationen so klein waren, wie es nach dem Unschärfeprinzip nur irgend möglich war.
    Das Universum begann – so diese Hypothese – mit einer Phase exponentieller oder «inflationärer» Expansion, in der seine Größe um einen riesigen Faktor anwuchs. Während dieser Aufblähung blieben die Dichtefluktuationen zunächst klein, fingen aber später an zu wachsen. Regionen, in denen die Dichte etwas über dem Durchschnitt lag, wurden in ihrer Expansion durch die Gravitationskräfte der zusätzlichen Masse gebremst. Schließlich hielten diese Regionen in ihrer Expansionsbewegung inne, stürzten zusammen und bildeten Galaxien, Sterne und Wesen wie uns. Nach dieser Auffassung hat das Universum also in einem gleichmäßigen und geordneten Zustand begonnen und ist mit fortschreitender Zeit klumpig und ungeordnet geworden. Dies würde die Existenz des thermodynamischen Zeitpfeils erklären.
    Doch was geschähe, wenn das Universum in seiner Expansion innehielte und anfinge, sich zusammenzuziehen? Würde der thermodynamische Pfeil sich umkehren und die Unordnung mit der Zeit abnehmen? Das würde für die Menschen, die die Kontraktionsphase noch erleben, eine Fülle Science-fiction-artiger Möglichkeiten eröffnen. Würden sie beobachten, wie sich die Scherben von Tassen auf dem Fußboden zusammenfügen und auf den Tisch zurückspringen? Würden sie sich an die Kurse von morgen erinnern und ein Vermögen an der Börse verdienen können? Es mag ein bißchen theoretisch erscheinen, wenn ich mir hier Gedanken darüber mache, was geschieht, wenn das Universum rekollabiert, da in den nächsten zehn Milliarden Jahren nicht damit zu rechnen ist. Aber man kann auch schneller herausfinden, was geschehen wird: Man braucht nur in ein Schwarzes Loch zu springen. Der Zusammensturz eines Sterns zu einem Schwarzen Loch hat große Ähnlichkeit mit den Endphasen des kollabierenden Universums. Wenn wir also davon ausgingen, daß die Unordnung in der Kontraktionsphase des Universums abnähme, so könnten wir auch erwarten, daß die Ordnung im Innern des Schwarzen Loches größer würde. Ein Astronaut, der in ein Schwarzes Loch fiele, würde also vielleicht ein Vermögen am Roulettetisch gewinnen, weil er sich erinnern könnte, wohin die Kugel fiele, bevor er noch sein Geld gesetzt hätte. (Leider bliebe ihm nicht viel Zeit zum Spielen, denn allzu rasch würde er in eine Fadennudel verwandelt werden. Auch könnte er uns nichts über die

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