Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
Vom Netzwerk:
schließlich sogar zu so unbedeutenden Geschöpfen wie uns. So lassen sich vielleicht all die komplizierten Strukturen, die wir im Universum erblicken, durch die Keine-Grenzen-Bedingung in Verbindung mit der Unschärferelation der Quantenmechanik erklären.
    Die Vorstellung, daß Raum und Zeit möglicherweise eine geschlossene Fläche ohne Begrenzung bilden, hat auch weitreichende Konsequenzen für die Rolle Gottes in den Geschicken des Universums. Als es wissenschaftlichen Theorien immer besser gelang, den Ablauf der Ereignisse zu beschreiben, sind die meisten Menschen zu der Überzeugung gelangt, Gott gestatte es dem Universum, sich nach einer Reihe von Gesetzen zu entwickeln, und verzichte auf alle Eingriffe, die in Widerspruch zu diesen Gesetzen stünden. Doch diese Gesetze verraten uns nicht, wie das Universum in seinen Anfängen ausgesehen hat – es wäre immer noch Gottes Aufgabe gewesen, das Uhrwerk aufzuziehen und zu entscheiden, wie alles beginnen solle. Wenn das Universum einen Anfang hatte, können wir von der Annahme ausgehen, daß es durch einen Schöpfer geschaffen worden sei. Doch wenn das Universum wirklich völlig in sich selbst abgeschlossen ist, wenn es wirklich keine Grenze und keinen Rand hat, dann hätte es auch weder einen Anfang noch ein Ende: Es würde einfach sein. Wo wäre dann noch Raum für einen Schöpfer?

[zur Inhaltsübersicht]
    9
    Der Zeitpfeil
    I N DEN VORIGEN KAPITELN haben wir gesehen, wie sich unser Zeitbegriff im Laufe der Jahre verändert hat. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts glaubten die Menschen an eine absolute Zeit, das heißt, jedem Ereignis ließ sich eine Zahl, die man «Zeit» nannte, eindeutig zuweisen, und alle guten Uhren zeigten das Zeitintervall zwischen zwei Ereignissen übereinstimmend an. Doch die Entdeckung, daß die Lichtgeschwindigkeit jedem Beobachter unabhängig von seiner Geschwindigkeit gleich erscheint, führte zur Relativitätstheorie – und damit zum Verzicht auf einen absoluten Zeitbegriff. Nach der Relativitätstheorie hat jeder Beobachter sein eigenes Zeitmaß, das eine von ihm mitgeführte Uhr registriert: Uhren, die verschiedene Beobachter bei sich tragen, müssen nicht unbedingt übereinstimmen. So wurde die Zeit zu einem persönlicheren Begriff, abhängig von dem Beobachter, der sie mißt.
    Bei dem Versuch, die Gravitation mit der Quantenmechanik zu vereinen, mußte das Konzept der «imaginären» Zeit eingeführt werden. Diese läßt sich von den Richtungen im Raum nicht unterscheiden. Wenn man nach Norden geht, kann man kehrtmachen und sich südwärts halten. Genauso kann man, wenn man sich in der imaginären Zeit vorwärts bewegt, kehrtmachen und rückwärts gehen. Mit anderen Worten: Es kann keinen bedeutenden Unterschied zwischen der Vorwärts- und der Rückwärtsrichtung in der imaginären Zeit geben. Dagegen gibt es in der «realen» Zeit, wie wir alle wissen, einen gewaltigen Unterschied zwischen Vorwärts- und Rückwärtsrichtung. Woher kommt dieser Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft? Warum erinnern wir uns an die Vergangenheit, aber nicht an die Zukunft?
    Die Naturgesetze unterscheiden nicht zwischen Vergangenheit und Zukunft. Genauer: Diese Gesetze, die das Verhalten der Materie in allen normalen Situationen bestimmen, bleiben, wie erläutert, bei einer Kombination der Operationen (oder Symmetrien) C, P und T unverändert. (C steht für das Ersetzen der Teilchen durch Antiteilchen. P heißt Umkehrung ins Spiegelbild, also Vertauschen von links und rechts. T schließlich bedeutet Umkehr der Bewegungsrichtung aller Teilchen – mit anderen Worten: den Ablauf der Bewegung rückwärts.) Auch bei einer Kombination der beiden Operationen C und P verändern sich die Naturgesetze nicht. Das Leben von Bewohnern eines anderen Planeten, die sowohl unser Spiegelbild wären als auch aus Antimaterie bestünden statt aus Materie, unterschiede sich also nicht von dem unseren.
    Wenn die Naturgesetze weder durch die Kombination der Operationen C und P noch von C, P und T verändert werden, dann müssen sie auch unter der Operation T allein invariant bleiben. Trotzdem gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen der Vorwärts- und der Rückwärtsrichtung reellwertiger Zeit im alltäglichen Leben. Stellen wir uns eine Tasse Wasser vor, die vom Tisch fällt und auf dem Boden in tausend Stücke zerspringt. Wenn man diesen Vorgang filmt, ist es leicht zu sagen, ob er vorwärts oder rückwärts läuft. Läuft er rückwärts, so sieht

Weitere Kostenlose Bücher