Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
Vom Netzwerk:
Flüsse, und man reiste
mindestens zehnmal so schnell wie früher mit der schnellsten Postkutsche.
    Ganz ähnlich ging es mit der Erfindung des elektrischen Telegrafen.
Auch da dachte schon 1753 ein Gelehrter an die Möglichkeit. Nach 1770 gab es
viele Versuche, aber erst 1837 konnte der amerikanische Maler Morse seinen
Freunden ein kurzes Telegramm vorführen, und wieder dauerte es nur wenig mehr
als zehn Jahre, bis die Telegrafie in den verschiedenen Ländern eingeführt war.
    Noch mehr haben aber andere Maschinen die Welt verändert. Es sind
die Maschinen, die die Naturkräfte so in ihren Dienst stellen, dass sie die
menschliche Arbeitskraft ersetzen. Denk an das Spinnen und Weben. Früher taten
das Handwerker. Als man mehr Stoffe brauchte (also ungefähr in der Zeit Ludwigs
XIV.), gab es schon Fabriken, aber dort arbeiteten eben viele Gesellen mit der
Hand. Erst allmählich kam man auf den Gedanken, auch da die Kenntnisse über die
Natur auszunutzen. Die Jahreszahlen sind wieder ganz ähnlich wie bei den
anderen großen Erfindungen. Die Spinnmaschine versuchte man seit 1740,
verbesserte sie seit 1783, aber erst 1825 war sie nach jeder Richtung hin
brauchbar. Die Zeit des mechanischen Webstuhls beginnt fast zugleich. Auch
diese Maschinen wurden zuerst in England hergestellt und verwendet. Für
Maschinen und Fabriken brauchte man Kohle und Eisen. Und so hatten mit einem
Mal jene Länder einen großen Vorsprung, die Kohle und Eisen besaßen.
    Durch all diese Dinge kam eine gewaltige Bewegung unter die
Menschen. Sie wurden durcheinandergerüttelt, dass kaum irgendetwas auf seinem
alten Platz blieb. Denk doch, wie fest und geordnet alles in den Zünften der
mittelalterlichen Stadt gewesen war! Diese Zünfte hatten sich bis zur Zeit der
Französischen Revolution und länger noch gehalten. Zwar war es schon damals für
einen Gesellen schwieriger, Meister zu werden, als im Mittelalter, aber er
hatte doch die Möglichkeit und die Hoffnung. Nun wurde das mit einem Mal ganz
anders. Es gab Leute, die Maschinen besaßen. Um eine solche Maschine zu
bedienen, muss man nicht viel gelernt haben. Sie macht ja alles allein. Es
lässt sich in einigen Stunden leicht zeigen. Wer also eine Webmaschine hatte,
der nahm sich ein paar Leute (es konnten sogar Frauen oder Kinder sein), und
die konnten nun mit der Maschine mehr Arbeit verrichten als hundert gelernte
Weber früher. Was sollten nun die Weber einer Stadt tun, wenn dort plötzlich
eine solche Maschine aufgestellt wurde? Man brauchte sie nicht mehr. Was sie in
jahrelanger Arbeit als Lehrlinge und Gesellen erlernt hatten, war ganz
überflüssig geworden, die Maschine machte es schneller, auch besser und ganz
unvergleichlich billiger. Denn die Maschine muss ja nicht essen und schlafen
wie ein Mensch. Sie muss sich nie ausruhen. All das, was die hundert Weber zu
einem angenehmen, glücklichen Leben gebraucht hätten, das sparte der Fabrikant
durch seine Maschine, oder er konnte es für sich verwenden. Aber er brauchte
doch auch Arbeiter, die die Maschinen bedienten? Sicher, die brauchte er. Aber
erstens nur ganz wenige und zweitens keine gelernten.
    Vor allem aber kam noch etwas dazu: Die hundert Weber der Stadt waren
jetzt arbeitslos. Sie mussten verhungern, da eine Maschine für sie die Arbeit tat.
Ehe ein Mensch aber mit seiner Familie verhungert, ist er natürlich bereit, alles
zu tun. Auch für unbeschreiblich wenig Geld zu arbeiten, wenn er nur so viel bekommt,
dass er gerade knapp noch leben und irgendwie arbeiten kann. So konnte der Fabrikant,
der die Maschine besaß, sich die hundert verhungernden Weber kommen lassen und sagen:
»Ich brauche fünf Leute, die auf meine Maschinen und meine Fabrik achtgeben. Um
wie viel Geld werdet ihr das tun?« Auch wenn dann vielleicht einer sagte: »Ich will
so viel, dass ich so glücklich leben kann wie früher«, sagte vielleicht ein Zweiter:
»Mir genügt es, wenn ich mir täglich einen Laib Brot und ein Kilogramm Kartoffeln
kaufen kann.« Der Dritte sah, dass ihm dieser nun die letzte Möglichkeit zu leben
wegnahm, und sagte: »Ich will es mit einem halben Laib Brot versuchen.« Vier andere
sagten: »Wir auch.« – »Gut«, sagte der Fabrikant, »dann will ich es mit euch versuchen.
Wie lange wollt ihr arbeiten am Tag?« »Zehn Stunden«, sagte der eine. »Zwölf«, der
Zweite, damit es ihm nicht weggeschnappt würde. »Ich kann sechzehn arbeiten«, rief
der Dritte. Es ging ja ums Leben. »Gut«, sagte der Fabrikant, »dann nehme ich

Weitere Kostenlose Bücher