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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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Nacken zu
setzen, dem es um ganz ähnliche Dinge ging. Das war Preußen, dessen Minister
damals Bismarck war.
    Bismarck, ein adeliger norddeutscher Grundbesitzer von ganz
ungewöhnlicher Willenskraft, Verstandesklarheit, Unbeirrbarkeit und Ausdauer,
der sein Ziel immer im Auge behielt und der seine Meinung und Überzeugung auch
dem König Wilhelm I. von Preußen ruhig zu sagen wagte, hatte von allem Anfang
an nur einen Wunsch: Preußen mächtig zu machen und mithilfe dieses Landes aus
dem verwickelten Flickwerk des Deutschen Bundes ein großes, einiges Deutsches
Reich zu schaffen. Nichts schien ihm dazu so notwendig und wichtig wie ein
starkes, mächtiges Heer. Er hat ja das berühmte Wort gesprochen, dass die
großen Fragen der Geschichte nicht durch Beschlüsse, sondern durch Eisen und
Blut entschieden werden. Ob das immer gilt, weiß ich nicht. Aber in seinem Fall
hat die Geschichte ihm recht gegeben. Als ihm die Abgeordneten des preußischen
Volkes im Jahre 1862 nicht die große Summe aus den Steuern des Volkes
bewilligen wollten, die er für ein solches Heer brauchte, redete er dem König
zu, nun gegen die Verfassung und gegen den Willen der gewählten Abgeordneten zu
regieren. Der König fürchtete das Schicksal König Karls I. von England, der
sein Versprechen nicht gehalten hatte, und das Schicksal Ludwigs XVI. von
Frankreich. Er sagte zu Bismarck, während sie zusammen in der Eisenbahn fuhren:
»Ich sehe ganz genau voraus, wie das alles enden wird. Da vor dem Opernplatz,
unter meinem Fenster, wird man Ihnen den Kopf abschlagen und etwas später mir.«
Bismarck antwortete nur: »Und dann?« – »Ja, dann sind wir tot«, erwiderte der
König. »Ja«, sagte Bismarck, »dann sind wir tot, aber können wir anständiger umkommen?«
Und wirklich setzte er es gegen den Willen des Volkes durch, dass ein großes,
mächtiges Heer mit vielen Gewehren und Kanonen ausgerüstet wurde, das sich bald
darauf auch in einem Krieg gegen Dänemark bewährte.
    Mit diesem ausgezeichnet bewaffneten und geschulten Heer zog er nun
1866 nach dem Willen Cavours und nach seinen eigenen Plänen gegen Österreich,
das die Italiener gleichzeitig im Süden angriffen. Er wollte den Kaiser aus dem
Deutschen Bund hinausdrängen, damit Preußen dort das mächtigste Land sei und
sich an die Spitze Deutschlands stellen könne. Wirklich schlug er die
Österreicher in Böhmen bei dem Ort Königgrätz in einer blutigen Schlacht, und
Kaiser Franz Josef musste nachgeben. Österreich trat aus dem Deutschen Bund
aus. Sonst verlangte Bismarck nichts nach seinem Sieg; das ärgerte zwar die
Generäle und Offiziere der preußischen Armee gewaltig, aber Bismarck ließ sich
nicht beirren. Er wollte sich die Österreicher nicht ganz zu Feinden machen.
Heimlich schloss er aber mit allen deutschen Staaten Verträge, dass sie Preußen
in jedem Krieg unterstützen sollten. Davon wusste niemand etwas.
    Nun war aber Napoleon III. in Frankreich unruhig geworden, dass sich
da jenseits des Rheins, in Preußen, eine Militärmacht entwickelte. Der Kaiser
der Franzosen, der gerade 1867 einen ganz überflüssigen Krieg in Mexiko
verloren hatte, fürchtete sich vor diesem gut gerüsteten Nachbarn. Die
Franzosen hatten es seit je nicht gerne, wenn die Deutschen zu mächtig wurden.
Napoleon III. ließ im Jahre 1870 König Wilhelm von Preußen, der gerade zur Kur
im Badeort Ems weilte, durch seinen Gesandten mit den merkwürdigsten
Forderungen belästigen. Er sollte für sich und seine Familie schriftlich auf
Machtansprüche verzichten, die er gar nicht erhoben hatte. Da zwang Bismarck –
ohne den Willen des Königs – Napoleon III. zu einer Kriegserklärung. Wirklich
nahmen, gegen alles Erwarten der Franzosen, alle deutschen Staaten an dem Krieg
teil, und es zeigte sich bald, dass die deutschen Truppen besser ausgerüstet
und besser geführt waren als die französischen.
    Die Deutschen marschierten schnell auf Paris, nahmen bei dem Ort Sedan
einen großen französischen Heeresteil, bei dem sich auch Napoleon III.
aufhielt, gefangen und belagerten die gut befestigte Stadt Paris monatelang.
Durch die Niederlage Frankreichs mussten zunächst die französischen Truppen,
die den Papst in Rom beschützt hatten, aus Rom abziehen, und der König von
Italien hielt dort seinen Einzug. So verwickelt waren die Zusammenhänge damals.
Noch während der Belagerung, während der preußische König in Versailles wohnte,
überredete Bismarck die verschiedenen deutschen Könige und

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