Eine Lady nach Maß
annah wurde übel, als sie die bedrohliche Botschaft noch einmal las. Sie hätte sich sicherer gefühlt, wenn sie hätte glauben können, eine Bande ungezogener Jungen wäre für diese Zerstörung verantwortlich. Dann wäre die Tat zufällig gewesen, unpersönlich. Aber die Nachricht zerstörte diese Hoffnung. Jemand wollte, dass sie aus Coventry verschwand. Hannah zitterte am ganzen Körper.
Jericho riss den Zettel von der Tür, knüllte ihn zusammen und warf ihn wütend in das Chaos ihres Geschäftes. Dann schob er Hannah hinaus auf den Bürgersteig und schlug die Tür so fest hinter ihnen zu, dass das ganze Gebäude bebte. Hannah zuckte zusammen.
Er kehrte ihr den Rücken zu und starrte auf das Haus, seine Schultermuskeln unter dem Hemd angespannt. Sie wollte, dass er sie umarmte, sie festhielt, sie überzeugte, dass alles gut werden würde. Doch die Wut, die von ihm ausging, ließ sie zurückzucken.
„Jericho?“
Seine Schultern hoben sich, als er langsam ein- und ausatmete. Die Anspannung in seinem Nacken löste sich. Seine zu Fäusten geballten Hände entspannten sich wieder. Als er sich zu ihr umwandte, riss die tiefe Besorgnis auf seinem Gesicht die Mauer ein, die Hannah gerade zwischen ihnen gespürt hatte.
„Es tut mir so leid, Liebling. Ich –“
Hannah warf sich in seine Arme und schmiegte sich an seine Brust. Sie wollte sich an seiner Stärke festklammern. Als seine Arme sich um sie legten, kamen ihr die Tränen.
Warum? Warum tat jemand so etwas? Es zerriss ihr das Herz. Es war gar nicht so sehr der finanzielle Schaden, unter dem sie litt, sondern vielmehr der Hass, der aus dieser Tat sprach. Was hatte sie getan, um solch eine Feindseligkeit auf sich zu ziehen?
Sie ließ sich noch weiter in Jerichos Umarmung sinken. Alle Kraft war aus ihr gewichen. Ihre Knie wurden weich und Jericho musste sie festhalten, damit sie nicht auf den Boden sank. Vorsichtig trug er sie zu Ezras Bank.
Keiner von ihnen sprach, aber allein Jerichos Anwesenheit, seine Umarmung, war Balsam für ihre Seele. Langsam verebbten ihre Schluchzer zu einem Schluckauf. Jericho suchte nach einem Taschentuch. Während sie ihre Augen trocknete und ihre Nase putzte, knotete er vorsichtig die Bänder ihrer Haube auf und legte sie beiseite, damit sie ihren Kopf an seine Schulter legen konnte.
Hannah konnte nicht sagen, wie lange sie so sitzen blieben, aber als sie endlich wieder ihren Kopf hob, war die Sonne nur noch ein verschwommener Fleck am Horizont. Dunkle Flecken verunstalteten den hellblauen Stoff von Jerichos Hemd, Spuren ihrer Trauer. Auf den größten Fleck legte sie ihre Hand. Die Wärme seiner Haut strahlte durch sein Hemd und sie konnte sein Herz schlagen fühlen. Ein Schlagen, das unter ihrer Berührung schneller wurde.
„Tut mir leid, dass ich dich vollgeweint habe. Ich habe dein Hemd ruiniert.“ Sie wollte ihre Hand wegziehen, doch Jericho hielt sie fest. Hannah hob langsam ihren Kopf, um seinem Blick zu begegnen.
„Geht es dir gut?“
Sie nickte. „Ja. Danke. Ich fühle mich schon besser.“ Plötzlich war sie schüchtern und fühlte sich unsicher, deshalb erhob sie sich und belastete vorsichtig ihren Fuß. Sogar ihrem Knöchel ging es besser. Sie nahm ihre Haube von der Bank, setzte sie aber nicht wieder auf. „Ich … ich sollte mich umziehen.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, als Jericho sich ebenfalls erhob. Er sah sie aufmerksam an und Hannah merkte, dass sie ihn nicht täuschen konnte. „Danke für deine Unterstützung.“
Sie ging auf die Treppe zu, die zu ihrer Wohnung führte. Ihre Hand umfasste das Geländer, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst. Sie schaffte es nicht die Treppe hinauf. Was, wenn der Einbrecher auch in ihrem Zimmer gewesen war? Weitere Verwüstungen würde sie jetzt nicht ertragen können.
Jericho trat neben sie. „Ich gehe vor.“
Er ging an ihr vorbei und stieg die Stufen hinauf. Nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet hatte, um sich Mut zu machen, folgte sie ihm ohne weiteres Zögern.
Die Tür oben war verschlossen, doch trotzdem trat Jericho vorsichtig ein, nachdem er sie geöffnet hatte. Wenige Sekunden später kam er mit einem fröhlichen Lächeln zurück.
„Alles in bester Ordnung.“
Danke, Herr. Hannah seufzte erleichtert auf und lehnte sich gegen die Wand, weil ihre Beine so sehr zitterten, dass sie sie nicht tragen konnten. Dann ging sie in ihr Schlafzimmer und ließ ihren Blick schweifen, um sicherzugehen, dass wirklich alles an Ort und Stelle war.
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