Eine Lady nach Maß
noch einmal, sagte aber nichts mehr, bis sie mit Hannah im Laden war.
„Es tut mir leid wegen Warren“, flüsterte sie. „Er war schon immer ein sehr schwieriger Mensch.“
„Das scheint mir auch so. Aber er schien eher besitzergreifend als schwierig. Ich glaube, er mag dich.“ Hannah zwinkerte und spürte, wie sie sich allmählich wieder entspannte.
„Er ist nur ein Freund.“ Cordelias Stimme klang erstickt, als blieben ihr bei dem Gedanken, den Hannah eben geäußert hatte, die Worte im Hals stecken.
„Wie auch immer.“ Hannah wischte Cordelias Antwort mit einer Handbewegung beiseite. „Was er gesagt hat, stimmt ja. Du warst auch mit deiner alten Frisur schön.“ Hannah war froh, dass ihre Freundin sich von der Begegnung mit Warren nicht aus der Bahn hatte werfen lassen. Natürlich hatte der junge Mann seine Abneigung auch nur Hannah gegenüber gezeigt, das dafür aber umso deutlicher.
Cordelia lächelte und führte Hannah an ein paar Kundinnen vorbei zu einer Auswahl an Lederhandtaschen. „Es ist lieb, dass du das sagst, aber ich bin froh über die Veränderung, egal, was Warren sagt. Ich bin glücklich, dass wir es getan haben.“
Hannah atmete auf. „Ich auch.“
Sie besahen sich ausgiebig die Seifen und Toilettenartikel, die der Laden anbot. Die Rosen- und Fliederdüfte regten Hannahs Gedanken an. Cordelia musterte ein paar Haarbänder.
„Vielleicht sollte ich die Schleife meiner Haube austauschen, bevor ich Ike morgen besuche.“
„Das ist eine gute Idee“, sagte Hannah und passte sich Cordelias geflüstertem Ton an. „Das sollte es dem armen Mann noch leichter machen. Wenn er dich dann immer noch nicht bemerkt, musst du ihm vielleicht ein Telegramm schicken.“
Cordelia kicherte und versuchte schnell, das Geräusch zu unterdrücken.
„Ach, nur keine Scheu, Miss Tucker. Lachen macht die Welt erst zu einem schönen Ort.“
Cordelia zuckte zusammen. Vor Schreck verschwanden ihre Augenbrauen fast in ihrem neuen Pony. „Mr Paxton! Sie haben mich erschreckt.“
Ein Mann mittleren Alters lupfte seinen Hut und verbeugte sich leicht. „Vergeben Sie mir, meine Liebe. Ich wollte nur die wundervollen Klänge retten, die sich hier eben ausgebreitet haben. Sie sollten so eine Melodie wirklich nicht einsperren. Musik ist dazu gedacht, Menschen glücklich zu machen.“
Hannah erkannte den Mann wieder, da sie schon in der Bank gewesen war. Mr Paxton war ein Charmeur, schien seine Frau und seine Töchter jedoch über alles zu lieben. Das erste Mal hatte Hannah ihn gesehen, als sie ein Konto eröffnet hatte und hatte ihn als unangenehm empfunden. Doch dann hatte sie bemerkt, dass er immer wieder seine Familie erwähnte. Und da alle Männer ihn mit Respekt behandelten, ging Hannah davon aus, dass seine Schmeicheleien Frauen gegenüber nicht allzu ernst zu nehmen waren.
Als Cordelia verlegen errötete, erkannte Hannah, dass das für ihre Freundin die perfekte Gelegenheit war, ihre Selbstsicherheit zu schulen.
„Miss Tucker überlegt, ob sie sich ein neues Band für ihre Haube kaufen soll. Welche Farbe würden Sie ihr empfehlen?“ Hannah lächelte den Mann an und hoffte, er würde den Wink verstehen.
„Also, Miss Richards“, sagte er. „Was für eine Ehre, dass Sie mich nach meiner Meinung fragen. Vor allem eine Frau wie Sie, die doch modisch so bewandert ist.“ Seine Brauen hoben sich leicht, als Hannah ihm kaum merklich zunickte. „Meine Frau würde mich nie fragen, bevor sie sich etwas Derartiges kauft, aber es wäre mir eine Ehre, Sie in Ihrer Entscheidung zu unterstützen.“
„Wir wären dankbar für Ihre Hilfe.“
Cordelia warf Hannah einen wütenden Blick zu, als würde sie ihre Freundin am liebsten mit einem der Bänder erdrosseln. Hannah grinste zurück.
„Lassen Sie mich mal schauen …“ Mr Paxton beugte sich ein wenig zurück, um Cordelia zu mustern. „Ein braunes Band würde zu Ihrem Kleid passen, aber wenn Sie auch nur ein bisschen so sind wie meine Frau, werden Sie das wahrscheinlich langweilig finden. Hmmm … vielleicht ist doch eher etwas Freundliches, Farbenfrohes angebracht, das zu dem wunderbaren Lachen –“ Er hielt mitten im Satz inne und zupfte nachdenklich an seinem Bart.
„Mr Paxton?“ Cordelia warf Hannah einen nervösen Blick zu.
„Irgendetwas an Ihnen ist anders, aber ich kann gar nicht sagen, was.“ Er trat auf das linke, dann wieder auf das rechte Bein. Die arme Cordelia sah aus, als hätte sie am liebsten die Flucht durch die Ladentür
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