Eine Lady nach Maß
deinen einfachen Zopf gegen einen französischen, geflochtenen austauschen. Das ist nicht zu ausgefallen, hat aber doch eine gewisse Wirkung und ist auf jeden Fall eleganter. Du müsstest ihn natürlich ein wenig weiter unten im Nacken tragen, damit er nicht von deiner Haube verdeckt wird, aber ich kann mir vorstellen, dass er dir bestimmt sehr gut steht.“
„Ich … ich weiß nicht.“
Hannah drückte Cordelias Schulter und wartete geduldig auf die Reaktion ihrer Freundin. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann wandte sich Cordelia abrupt um und nickte.
„Lass es uns machen.“ Sie sah Hannah fest in die Augen. „Jetzt sofort. Bevor ich meine Meinung wieder ändere.“
Hannah lachte und nahm ihre Schere zur Hand. Nach wenigen Augenblicken war Cordelias Verwandlung abgeschlossen. Ein lockiger Pony versteckte nun ihre breite Stirn und verlieh ihr ein anmutigeres Aussehen. Der französische Zopf ließ sie weniger streng aussehen und zog die Aufmerksamkeit auf die elegant geschwungene Linie ihres Nackens. Als Hannah ihrer Freundin endlich erlaubte, sich im Spiegel anzuschauen, schnappte diese nach Luft.
„Das bin ich?“ Sie befühlte ihren Pony und drehte ihren Kopf hierhin und dorthin, um einen besseren Blick auf den Rest ihrer Haare zu erlangen. „Ich kann es nicht glauben. Ich sehe so ganz anders aus.“
„Gefällt es dir?“ Hannah hielt den Atem an.
Cordelia strahlte glücklich. „Ich liebe es!“
„Wir sollten einen kleinen Spaziergang machen und schauen, ob es jemandem auffällt.“ Hannah reichte Cordelia ihre Haube und nahm ihre eigene von einem Haken an der Wand.
„Ich weiß nicht.“ Plötzlich zögerte Cordelia. „Vielleicht sollte ich mich erst einmal daran gewöhnen.“
„Oh nein, auf keinen Fall. Ich lasse dich jetzt nicht wieder zurück in dein Schneckenhaus kriechen.“ Hannah setzte Cordelia energisch die Haube auf und band die Bänder zusammen. „Wenn du dich vor den Leuten versteckst, vor allem vor den Männern, werden sie dich auch nicht wahrnehmen. Du musst dich vor anderen selbstsicher geben, dann kommt die innere Gelassenheit mit der Zeit von alleine. Sieh den Menschen in die Augen. Lächle.“ Hannah griff nach Cordelias Hand. „Bist du bereit?“
„Nein.“ Cordelia sah sich unsicher um. „Aber ich muss es ja sowieso versuchen.“
„Gut. Dann lass uns gehen.“
Als sie an Hawkins’ Laden ankamen, stand ein schlanker junger Mann auf dem hölzernen Bürgersteig. Sein aschblondes Haar hing ihm über die rechte Wange, konnte jedoch ein dunkles, rotes Muttermal nicht völlig überdecken.
„Hallo, Warren“, sagte Cordelia mit erhobenem Haupt, freundlicher Stimme und einem gewinnenden Lächeln. Stolz durchflutete Hannah. Ihre Freundin machte das wunderbar.
Die hektischen Blicke des Mannes flogen zu Hannah und starrten sie an, dass es ihr unangenehm war, doch dann flogen sie weiter. Als sie Cordelias Gesicht trafen, wurden sie weicher. „Hallo.“ Er lächelte ebenfalls. „Mein Vater hat gestern neue Kuchendosen bestellt. Sie sollten nächste Woche da sein. Ich dachte, du hättest vielleicht gerne die erste Auswahl.“
„Danke, dass du daran gedacht hast. Ich sehe sie mir sicher gleich an, wenn sie eintreffen.“ Cordelia winkte zum Abschied und ging auf den Eingang des Geschäftes zu, aber Warren hielt sie auf.
„Was hast du mit deinen Haaren gemacht?“
Hannah merkte, wie Cordelia sich bei dem aggressiven Ton des Mannes anspannte. Warren war offensichtlich nicht besonders sensibel im Umgang mit Frauen. Sie trat noch dichter an ihre Freundin heran, um ihr Rückendeckung zu geben.
„Gefällt es Ihnen, Mr Hawkins? Ich finde, es steht ihr sehr gut.“
Röte stieg in Cordelias Wangen, als sie ihren Blick einen Moment zu Boden senkte. Doch mutig schaute sie rasch wieder auf.
„Sie sieht gut aus“, sagte Warren barsch, „aber das hat sie gestern auch schon. Sie braucht Ihre Veränderungen nicht.“ Aggressive Wut funkelte in seinen Augen.
Jetzt wurde Hannah unter dem Blick des Mannes rot und war dankbar, als Cordelia sich ihren Arm schnappte und sie mit sich in Richtung der Eingangstür zog.
„Schönen Tag noch, Warren.“ Cordelia schien sich nicht entmutigen zu lassen, worüber sich Hannah freute. „Und danke noch mal wegen der Dosen.“
„Klar.“ Der finstere Gesichtsausdruck verschwand, als er seine Aufmerksamkeit wieder Cordelia zuwandte. „Ich frage Vater, ob ich sie dir zeigen kann, bevor er sie ins Schaufenster stellt.“
Cordelia winkte
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