Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
als wir es gestern getan haben, Mr Mappleton. Ich werde nichts Wertvolles entfernen. Doch wenn noch private Dokumente wie zum Beispiel Briefe auftauchen, nehme ich sie an mich. Ist das erlaubt?«
»Wenn Sie mir Ihr Wort geben, dass Sie das Haus dabei nicht abreißen.« Er lächelte schwach über seinen Versuch, einen Witz zu machen. »Ich habe in den Unterlagen in der Bibliothek immer noch keine Geschäftsbücher gefunden. Sollte Ihnen so etwas in die Hände fallen, lassen Sie es bitte sichtbar liegen, damit wir es durchsehen können.«
Sie versprach ihm, die Augen offen zu halten. »Ist es notwendig, dass Sie hierbleiben? Ich würde mich gerne allein von ihr verabschieden. Die Beerdigung war eine seltsame Erfahrung. Doch hier hat sie ihr Leben verbracht und ihren letzten Atemzug getan, und hier kann ich auch noch ihre Gegenwart spüren.«
Mr Mappleton sah sie so ernst an, dass sie schon befürchtete, er würde in Tränen ausbrechen. »Das lässt sich wohl einrichten. Miss Pennifold, darf ich sagen, dass Ihre Mutter eine wundervolle, brillante Frau gewesen ist? Und auch wenn ich der Trauerfeier ferngeblieben bin und mich nicht persönlich von ihr verabschiedet habe, hoffe ich, Sie wissen, dass das in keiner Weise den Respekt widerspiegelt, den ich für sie empfunden habe.«
»Ich habe Verständnis für Ihre Abwesenheit, Mr Mappleton. Ich habe darin keine Beleidigung gesehen. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte.«
Er verabschiedete sich. Sobald sie hörte, wie die Tür geschlossen wurde, ging sie in das Schlafzimmer ihrer Mutter.
Sie unterdrückte die Wehmut, die von den vertrauten Gerüchen und Anblicken hervorgerufen wurde. Hier, in der Zurückgezogenheit dieses Raumes, hatten die meisten Lehrstunden stattgefunden. Es war ihr damals ganz natürlich vorgekommen, wenn das Gespräch von Mode und der Kunst, eine gute Gastgeberin zu sein, zu der Anleitung, wie man einen Mann am besten berührte, und anderen intimen Geheimnissen hinüberwechselte.
Doch jüngere Erinnerungen drängten die alten zurück. In dieser Schlafkammer hatte Mama auch gelegen, als sie krank gewesen war. In den letzten Wochen hatte es nicht mehr viele Unterhaltungen gegeben. Doch selbst in diesem Zustand war es ihrer Mutter gelungen, ein paar Lektionen weiterzugeben und ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass ihre Tochter ihren Platz einnehmen würde. Sie hatte Celia mit Geschichten von Triumph und Ruhm gelockt. Sie hatte ihrer Tochter das Versprechen abgerungen, dass diese zumindest darüber nachdenken würde, bevor sie dem Ort, der auf sie wartete, für immer den Rücken kehrte.
Celia warf einen Blick in die Schubladen des kleinen Schreibtisches. Der Inhalt war nicht weiter bemerkenswert, doch seine Anordnung hatte sie gestern stutzen lassen, als sie und Mr Mappleton nach den Geschäftsbüchern gesucht hatten.
Alessandra hätte ihre Unterlagen niemals so akkurat gestapelt. Die Schränke und Truhen, um die sich nicht die Zofe kümmerte, waren für gewöhnlich ein heilloses Durcheinander gewesen.
Celia stopfte einige Briefe in ihr Ridikül, dann ging sie in das Ankleidezimmer und öffnete dort die Schränke. Alessandras herrliche Kleider, alle von den besten Schneidern, leuchteten im Nachmittagslicht wie ein Blumenbeet auf. Auch sie würden, wie alles andere, verkauft werden.
Die Frisierkommode wirkte ebenfalls untypisch aufgeräumt, aber andererseits hatte Mama sie seit mehreren Wochen nicht mehr benutzt. Doch auch die wenigen Schubladen waren ordentlich, was weniger zu erwarten gewesen war. Celia betrachtete den Schmuck darin und fragte sich, ob etwas davon ein Geschenk ihres unbekannten Vaters gewesen sein mochte. Doch keine der Schachteln gab ihr einen Hinweis.
Das Zimmer war ihr auf der Suche nach seiner Identität keine Hilfe. Sie stieg auf den Dachboden und fand die Speicherräume. Zu ihrer Enttäuschung war dort außer alten Möbeln wenig zu finden. In einer Truhe befand sich nichts als Kleidung, die seit mindestens zwanzig Jahren aus der Mode war. Sie hatte gehofft, ja sogar angenommen, dass in diesem Haus die Geschichte ihrer Mutter nachzuvollziehen wäre, dokumentiert in Unterlagen oder Gegenständen.
Sie ging in die Bibliothek hinunter und setzte sich vor den eleganten Intarsienschrank.
In den Schubladen fand sich nichts von Interesse außer einer Sammlung alter Modezeichnungen, aber erneut bemerkte sie, wie ordentlich alles wirkte.
Hatte ihre Mutter das getan, um ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen?
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