Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
hübschen und unterschiedlich gestalteten Beeten vorbei. Schließlich kamen sie an ein Treibhaus und stiegen ein paar Stufen zur Terrasse hinauf. Sein Gastgeber führte ihn durch ein paar Türen direkt in das Zimmer, das als Morgensalon diente.
Der Kaffee stand schon bereit. Sie setzten sich auf die gepolsterten Sessel und tranken Kaffee, als ob sie nur alte Freunde wären, die einander nach längerer Zeit wiedersahen. Doch die Stimmung war angespannt.
»Unsere Besucherin ist eine Freundin meiner Frau«, brach Hawkeswell das Schweigen schließlich. »Und auch eine gute Freundin von Summerhays’ Gattin Audrianna. Alle haben eine Zeit lang in Middlesex bei einer Frau namens Daphne Joyes gelebt. Nun sitzen die drei in der Bibliothek und schwatzen über Mode und was weiß ich noch.«
»Dann ist deine Diskretion also verständlich. Wenn auch unredlich, aber so ist die Welt nun einmal.«
»Du weißt also, wer sie ist. Ich wusste es bis vor Kurzem nicht. Selbst Verity hatte bis zum Tode von Alessandra Northrope keine Ahnung von ihrer Vergangenheit. Stell dir unsere Überraschung vor, als die Traueranzeige Bezug auf eine Tochter namens Celia Pennifold nahm. Ich hätte natürlich darauf bestehen müssen, dass Verity die Freundschaft sofort beendet. Aber …« Er zuckte resigniert mit den Schultern.
Aber der Earl of Hawkeswell liebte seine Frau zu sehr, um es ihr zu befehlen, und seiner Frau war Celia zu wichtig, um den Bruch zu vollziehen. Jonathan hatte Lady Hawkeswell nie getroffen, doch ihre Loyalität sprach für sie, auch wenn sie wohl ein wenig närrisch war.
»Ich bin davon überzeugt, dass es keinen Grund zu der Annahme gibt, Miss Pennifold könnte ihrer Mutter nacheifern« fuhr Hawkeswell vertraulich fort, so, wie im Laufe der Zeit schon viele andere mit Jonathan gesprochen hatten.
Zumindest wusste dieser Mann, wem er seine Gedanken mitteilte. Sie waren zusammen an der Universität gewesen, und Hawkeswell war einer der wenigen Menschen, die Jonathan als Freund bezeichnen würde. Die verflossene Zeit, die räumliche Entfernung und ihre Pflichten hatten die besten Momente dieser Freundschaft zu bloßer Erinnerung werden lassen, doch zumindest für Jonathan bestand sie auf gewisse Weise immer noch.
»Es war sehr großzügig von dir, deiner Frau zu gestatten, diese Freundschaft fortzusetzen.«
»Großzügig? Zu gestatten?« Hawkeswell lachte. »Verdammt, du weißt nicht viel über Ehen, oder?«
»Zumindest nicht über gute.«
Hawkeswells Gedanken wandten sich von diesem Thema ab und wieder seinem Gast zu. Geübt gingen Jonathans Instinkte in Alarmbereitschaft.
»Ich nehme nicht an, dass du mir verraten wirst, warum du ihr gefolgt bist.«
»Wenn du es dir partout in den Kopf gesetzt hast, dass ich das getan haben soll, schreibe es einfach einem Mann zu, der durch die Schönheit einer jungen Dame von seinen Tagesplänen abgelenkt wurde.« Interessanterweise war das tatsächlich die Wahrheit.
Hawkeswell fand das amüsant. »Eine deiner typischen Antworten, die nichts preisgeben. Das bedeutet, dass es einen sehr guten Grund geben muss. Einer deiner Aufträge?«
»Diese Annahme ist lächerlich.«
»In der Tat. Und doch bedeutet es nicht, dass sie nicht zutreffen könnte. Schließlich bist du hier und nicht länger oben in Staffordshire. Und auch dafür muss es einen Grund geben.«
»Ich habe, genau wie du, das Stadtleben vermisst.«
»Und außerdem warst du dort sowieso fertig, nicht wahr? Ich nehme nicht an, dass du mir, Summerhays und Castleford für unsere Hilfe danken wirst.«
Hawkeswell spielte damit auf die Mission an, die Jonathan vor Kurzem abgeschlossen hatte und bei der ihm sein Onkel Edward zu viel Unabhängigkeit vorgeworfen hatte. Hawkeswells unerwartete und lästige Ankunft in Staffordshire letzten Herbst hatte beinahe eine monatelang vorbereitete Ermittlung ruiniert. Jonathan hatte es nicht gestört, dass Hawkeswell und die anderen beiden das Rätsel letztendlich gelöst hatten, noch dazu viel gründlicher, als er selbst es zu hoffen gewagt hatte. Er wollte einfach nur nicht darüber reden. Er konnte nicht über seine Arbeit für das Innenministerium sprechen, geschweige denn zugeben, dass er überhaupt für das Ministerium ermittelte.
»Wart das ihr drei, die diese Intrige aufgedeckt haben? Dann danke ich euch natürlich.«
»Als ob du das nicht wüsstest.« Hawkeswell ließ es glücklicherweise dabei bewenden. »Wirst du dich lange in der Stadt aufhalten?«
»Vielleicht einen Monat
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