Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
schmeichelte, nahm Töpfe an, die Marian ihr weiterreichte, und überlegte sich für jeden den besten Platz im Regal.
Daphne stand mitten im Raum und hielt ein aufgeschlagenes Geschäftsbuch in der Hand. Sie hatte die erste Lieferung begleitet, um sicherzugehen, dass nichts schiefging. Groß, schmal und blass wie das Licht einer winterlichen Morgendämmerung stand sie da und betrachtete mit ihren grauen Augen, wie die Pflanzen ihre neue Heimat fanden, während sie sich Notizen machte.
Schwere Schritte erklangen im Flur. Ein Arbeiter schleppte unter Mühen einen Zitronenbaum in einem großen Topf hinein.
»Den sollten wir sofort ausliefern«, sagte Daphne. »Wie willst du dieses Ungetüm aus dem Haus bekommen, Celia?«
»Du hast gesagt, die Robertsons wollen den Baum erst nächste Woche, nicht diese. Ich werde eine Hilfe einstellen, Daphne. Ich habe nicht vor, diese Pflanzen selbst zu tragen.«
Der Mann wischte sich die Hände ab. »Das wäre die letzte, Mrs Joyes. Jetzt bleiben nur noch die Blumen.«
»Bringen Sie sie in den vorderen Salon«, sagte Celia. »Dort ist es im Winter kühl genug, um sie einen Tag lang frisch zu halten. Im Sommer werden wir den Kühlraum neben der Küche unten benutzen.«
Der Mann schlurfte davon, um die Blumen zu holen.
Celia machte sich wieder daran, die Töpfe in die neuen Regale zu stellen, während sie Daphne gut im Blick behielt. Unglücklicherweise war die Lieferung aus Middlesex eingetroffen, während Jonathan noch im Haus war.
Verity bemerkte Celias Blick. Nachdrücklich sah sie zu Daphne, dann hinauf zur Decke, und hob ihre Augenbrauen. Celia schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte Daphne noch nichts von ihrem Mieter erzählt. Doch wie es schien, würde sie das heute noch tun müssen, außer Jonathan entschloss sich, noch eine Stunde länger in seinem Zimmer zu bleiben. Manchmal tat er das. Es gab Tage, an denen ging er gar nicht aus. Vielleicht …
Auf der Treppe waren Schritte zu hören. So viel zu vielleicht.
Verity sprach und bewegte sich lauter. Marian begann eine ebenso laute Unterhaltung, indem sie sich nach dem heutigen Speiseplan erkundigte. Doch die Schritte auf der Treppe wurden immer unüberhörbarer.
Innerhalb des turbulenten Salons entstand plötzlich eine Insel der Stille. Ihr Zentrum und ihre Quelle war Daphne. Sie sah von ihrem Geschäftsbuch hoch und blickte erstaunt Richtung Treppe.
Jonathan stellte sich in die Tür des Salons. Er war für einen Ausritt angekleidet und sah teuflisch gut aus. Daphne starrte ihn lange an, dann warf sie Celia einen fragenden Blick zu.
»Ich befürchte, dass wir Ihnen mit den ganzen Kübeln den Weg zugestellt haben, Mr Albrighton«, meinte Celia entschuldigend.
»Ich verspreche, keinen umzuwerfen.« Er hielt sein Wort, auch wenn das ein paar seltsame Verrenkungen bedeutete, doch schließlich stand er im Raum.
Höflich begrüßte er Verity und betrachtete das Durcheinander an Pflanzen.
»Daphne, dies ist Mr Albrighton, ein Mieter. Mr Albrighton, dies ist meine liebe Freundin Mrs Joyes.«
»Er ist einer von Hawkeswells Freunden«, sagte Verity schnell. »Ist das nicht ein Zufall? Mein Ehemann erzählt viel Gutes von Ihnen, Mr Albrighton.
»Vielen Dank, Madam. Ich fühle mich geehrt.«
Daphne lächelte freundlich. Doch Celia ließ sich nicht täuschen. Sie sah, wie ihre Freundin den Mann von oben bis unten abschätzte und ein wenig misstrauisch wurde, ganz egal, mit welchen Earl er befreundet war.
»Ein Mieter, Celia? Wie geschäftstüchtig von dir.«
»Sie hat mich leider zusammen mit dem Haus geerbt«, erwiderte Jonathan.
»Und wie ich sehe, haben Sie sich entschlossen zu bleiben. Ein Umzug ist so unbequem, nicht wahr? Auch wenn es für einen Mann wie Sie seltsam ist, in dieser Gegend zur Untermiete zu wohnen, Mr Albrighton. Ziemlich abgelegen und nicht besonders schick. Würden Ihnen die Annehmlichkeiten von Albany nicht eher zusagen?«
»Ich bin nicht oft genug in London, dass es sich für mich lohnen würde, dort eine Wohnung zu unterhalten, nicht mal, um eine bessere Adresse zu haben. Die Nachbarschaft hier dient meinen Zwecken, aber vielen Dank für Ihr Interesse.«
»Abgelegen und anonym dient Ihren Zwecken?«
»Wie vielen anderen auch, Mrs Joyes. Ob nun eine Straße westlich des Bedford Square oder ein kleines Anwesen in Middlesex, es gibt viele Gründe, warum sich einige von uns der Gesellschaft lieber entziehen.«
Daphnes Blick wurde hart. Auf ihren blassen Wangen zeigte sich ein Hauch von Farbe.
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