Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
mich.«
»Vielleicht befürchten sie, dass du sie umbringen würdest, wenn sie dir nicht antworten.«
»Vielleicht.« Er dachte kurz darüber nach und begann dann zu lachen. »Wahrscheinlich hast du recht. Und ich dachte, es wäre Hochachtung meinem Titel gegenüber.«
»Es ist nützlich, all diese Informationen zu sammeln, die du eigentlich nicht besitzen solltest. Du kennst wahrscheinlich mehr politischen Klatsch als irgendjemand sonst.«
Castleford tat das mit einem Schulterzucken ab. »Es ist amüsanter als das Getratsche in den Salons darüber, wessen idiotische Tochter sich nun wieder hat schwängern lassen.«
»Es kommt mir so vor, als würdest du wissen, in wessen Auftrag ich unterwegs bin, wenn nicht in dem des Innenministeriums. Nicht, dass es einen solchen Auftrag geben würde.«
»Natürlich nicht. Nein, ich weiß nicht, wer dein Auftraggeber ist. Ich habe noch nicht versucht, es herauszufinden. Weißt du, ich habe mich noch nicht entschieden, ob es mir egal ist oder nicht.«
Jonathan hoffte, dass es das nicht war. Wenn Edward ihn nicht im Auftrag des Innenministeriums in Alessandras Vergangenheit herumstochern ließ, wer konnte sonst dahinterstecken? Es missfiel ihm, für jemanden zu arbeiten, dessen Namen er nicht kannte.
»Ich sehe, dass ich zur falschen Zeit gekommen bin«, sagte er. »Bevor ich gehe, würde ich gerne noch wissen, ob du diese nützlichen Informationen, die deine Neugier zusammengetragen hat, anzapfen und mir eine Frage beantworten könntest.«
Castleford sah zur Decke und stöhnte dramatisch. »Du klingst genau wie Summerhays. Er langweilt mich auch immer mit seinen politischen Fragen.«
»Ich verspreche dir, dass es nur eine einzige ist. Weißt du etwas über Anthony Dargents Vater?«
»Dargent? Der Vater hat seine Familie verlassen, um Missionsarbeit zu leisten, nicht wahr? Wahrscheinlich ist der Sohn deswegen zu einem solchen Idioten geworden. War vor ein paar Jahren hinter der Tochter dieser Northrope her. Es gab ein paar, die dachten, er würde sie heiraten, so vernarrt war er in sie. Andere waren wütend, weil er scheinbar zu leichtes Spiel mit ihr hatte.«
»Das war allgemein bekannt?«
»Ich erinnere mich noch gut daran. Alle Männer sabberten der hübschen Jungfrau hinterher. Ich selbst habe nie verstanden, was der Reiz daran sein soll. Aus Erbfolgegründen ist es natürlich angeraten, eine Jungfrau zu heiraten, aber die erste Nacht wird zwangsläufig ziemlich unbeholfen verlaufen.«
»Du warst also nicht interessiert?«
»Verdammt, nein! Auch nicht an der Mutter, obwohl sie tatsächlich das gewisse Etwas hatte. Man konnte sehen, dass sie ihr Gewerbe verstand. Aber wenn ich eine Frau vögeln wollte, die mich zu Gesellschaften und Salons schleift und dafür Diamanten von mir erwartet, könnte ich auch gleich heiraten.«
»Soweit ich gehört habe, denken viele anders darüber. Mrs Northrope war nicht grundlos so bekannt.«
Castleford warf ihm einen unerwartet direkten Blick zu. »Das tust du also. Die Indiskretion eines anderen verschleiern. Nur dass es so klingt, als wüsstest du nicht einmal genau, wessen Indiskretion, und das ergibt keinen Sinn.«
»Richtig, das tut es nicht, und das sollte dir sagen, dass diese Idee lächerlich ist.«
»Das ist sie in der Tat, aber das bedeutet nicht, dass ich falsch liege. Was die vielen anderen angeht, die du mir so geschickt ins Gedächtnis gerufen hast, nehme ich an, dass sie alle einen Titel hatten oder aus adligen Familien stammten. Es hieß, sie sei in dieser Hinsicht sehr streng und würde nur Männer aus bestem Hause akzeptieren.«
»Das lässt immer noch eine Menge Personen auf ihrer Liste stehen.«
»In der Schlange stehen, meinst du wohl. Und einige davon hatten schon etwas mit der Mutter, als du und ich noch kleine Jungen waren. Wenn sie nicht tatsächlich Buch darüber geführt hat, machst du dir vergebliche Mühe.«
Vielleicht nicht, da es bei diesem Auftrag darum ging sicherzustellen, dass es keine Liste gab. Jonathan hatte allerdings seine eigenen Gründe, um sich die Existenz einer solchen zu wünschen.
»Wenn Mrs Northropes Kunden dein Grund für diesen Besuch waren, tut es mir leid, dass ich dir nicht weiterhelfen konnte.« Castlefords Tonfall fehlte der Sarkasmus, den Jonathan erwartet hätte. Also preschte er noch weiter vor, wo er vielleicht hätte zurückrudern sollen.
»Das war reine Neugier, provoziert durch ein paar zufällige Begegnungen. Eigentlich wollte ich dich um einen Gefallen
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