Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
Rolle, Anthony? Als Sie mich besucht haben, sprachen Sie von Liebe. Wenn ich Ihre einzige, wahre Leidenschaft bin, ist das doch sicher ein unbedeutendes Detail.«
Er presste die Lippen aufeinander. »Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren.«
»Nein, das haben Sie nicht, weil ich mich weder von diesem Haus noch von einer Geldzahlung überreden lassen werde.« Sie hätte das natürlich gleich zu Beginn sagen sollen. Aber es war wirklich ein sehr schönes Haus, und angesichts seiner Begeisterung hätte sie eine äußerst ansehnliche Summe aushandeln können. Man musste diese Dinge zumindest kurz durchdenken, bevor man sie ablehnte. Das hatte sie ihrer Mutter versprochen.
Doch er sah es offensichtlich anders. Mit vor Kränkung und Wut hochrotem Gesicht griff er in seinen Mantel und zog ein gefaltetes Blatt Papier heraus. Mit einer schnellen Handbewegung hatte er es auseinandergefaltet und reichte es ihr.
»Sie sind dafür natürlich nicht verantwortlich. Doch Ihre Mutter war es, was sich auf ihren Nachlass auswirkt.«
Sie nahm das Blatt Papier und betrachtete die kunstvolle Handschrift. Bei den Worten, die sie lesen musste, wurde ihr schlecht, und innerlich verfluchte sie die Gedankenlosigkeit ihrer Mutter.
Es war kein Kaufvertrag. Dafür war Anthony zu raffiniert gewesen. Stattdessen hatte es die Form eines Kredits an Alessandra angenommen, über achthundert Pfund, in barer Münze oder Naturalien zurückzuzahlen. Mit »Naturalien« war zweifellos Celias Gunst gemeint.
»Offenbar sind Sie sich nicht zu schade dafür, mir Ihren Willen aufzuzwingen, Anthony.«
»Das hat nichts mit Ihnen zu tun. Ich werde zu Mappleton gehen und es durch den Nachlass regeln lassen.«
Sie stellte sich vor, wie es sein würde, Marian und Bella erklären zu müssen, dass das Haus verloren war. Marian würde überleben und auf die Straßen, die sie so gut kannte, und vielleicht auch zur Prostitution zurückkehren. Und Bella – Celia nahm an, dass sie beide bei Daphne unterkommen konnten. Zwei obdachlose, hilflose Frauen, die bei The Rarest Blooms um eine Zuflucht baten.
Sie war dort glücklich gewesen und konnte es wahrscheinlich wieder sein. Sie sollte Anthony sagen, dass es ihr egal sei, was er tat. Sie sollte ihm sagen, dass er erst zu Mappleton und dann zur Hölle fahren solle.
Sie betrachtete das Blatt in ihrer Hand, dann den feinen Stuck an der Decke. Sie stellte sich vor, wie die Jahre in Daphnes Haus verfliegen würden, während andere Frauen kamen und gingen, sie jedoch blieb, erstarrt wie ein Insekt im Bernstein.
»Ich muss darüber nachdenken, Anthony. Gewähren Sie mir bitte eine Woche, um das zu tun.«
14
Jonathan blätterte die letzte Seite des Magazins um, das er las. Sobald er das getan hatte, rückten die Schatten wieder näher.
Er zweifelte nicht daran, dass Castleford einen Weg finden würde, um ihn und Thornridge zusammenzubringen. Onkel Edward würde wütend sein, aber es war an der Zeit, diese Angelegenheit ein für alle Mal zu klären.
Die Aussicht auf dieses Treffen rief immer wieder Erinnerungen an seine letzte Begegnung mit dem Earl wach. Er war hungrig, erschöpft und bis auf die Knochen durchgefroren gewesen, bevor sein Cousin endlich eingewilligt hatte, Jonathans Mutter zu empfangen.
Thornridge hatte sich in einer riesigen Bibliothek die Forderungen und Drohungen von Jonathans Mutter angehört und dabei mit seiner ernsten Miene und den kalten, finsteren Augen viel älter gewirkt als seine damaligen einundzwanzig Jahre.
Jonathan legte das Magazin beiseite und ging zum Fenster. Einen Großteil des Treffens hatte er heute nur noch bruchstückhaft in Erinnerung. Doch ein paar andere Dinge waren ihm lebhaft im Gedächtnis geblieben. Er erinnerte sich an all die Bücher in der Bibliothek, ihre Rücken wie farbenprächtige Juwelen, Reihe an Reihe davon. Er erinnerte sich, dass der Earl eingewilligt hatte, für die Erziehung aufzukommen, die sein Vorgänger versprochen hatte. Und ebenso erinnerte er sich an einige der Drohungen, die seine Mutter ausgesprochen hatte. Diese hatten erst viele Jahre später für ihn Sinn ergeben.
Nun würde er also eine erneute Audienz bei seinem Cousin erzwingen. Er hatte noch nicht entschieden, ob er dieses Mal seine eigenen Drohungen aussprechen würde.
Diese Möglichkeit abzuwägen beschäftigte ihn, während er im Licht des Fensters stand. Es lenkte ihn so sehr ab, dass er kaum die Bewegung im Garten bemerkte, bis Celia fast schon am Haus angelangt war. Doch sobald
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