Eine Lady zu gewinnen ...
geworden? Warum drohst du ihm? Er hat nichts getan, was das rechtfertigen würde!«
Poppy zog den Brief hervor und begann laut vorzulesen. »›Meine liebste Virginia!‹« Er blickte sie an. »Der verdammte Kerl meint also, er kann dich beim Vornamen nennen? Wann hat denn das angefangen?«
Solange er in einer derartigen Stimmung war, würde sie ihm nicht antworten. Sie stand nur mit verschränkten Armen da und funkelte ihn an.
Er fuhr mit finsterem Blick fort vorzulesen. »›Verzeih mir, dass ich mein Versprechen nicht einhalten kann.‹ Und wann hat er dir sein Versprechen gegeben, junge Dame?«
Sie kämpfte die Röte nieder, die ihr in die Wangen stieg. »Wir sind Freitag zusammen ausgeritten, erinnerst du dich?«
Poppy sah sie verdrossen an und wandte sich wieder dem Brief zu. »›Aber du hattest gesagt, du brauchst mehr Zeit, um deinen Großvater darauf vorzubereiten, dass ich um deine Hand anhalten werde, und jetzt hast du sie.‹«
Und sie hatte es ihrem Großvater schonend beibringen wollen …
Poppy starrte sie finster an. »Hast du etwa eingewilligt, den verdammten Schuft zu heiraten?«
Sie straffte die Schultern. »Das habe ich.«
»Du wirst diesen Dreckskerl nicht heiraten!«
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, und versuchte, an seine Vernunft zu appellieren. »Du hast selbst gesehen, wie hart er die ganze Woche lang gearbeitet hat. Gib es zu – er hat bewiesen, dass er nicht der verweichlichte, träge Adlige ist, für den du ihn gehalten hast.«
»Das Einzige, was er bewiesen hat, ist, dass er Theater spielen kann, wenn es etwas gibt, das er haben will. Er würde alles tun, um an sein Vermögen zu kommen.«
Wut stieg in ihr auf. »Er hat angeboten, auf sein Vermögen zu verzichten, wenn ich ihn heirate.«
Poppy schnaubte. »Wie ich schon sagte, er würde alles tun, um zu bekommen, was er will – lügen, betrügen …«
»Ist es so schwer zu glauben, dass ein Mann mich einfach um meinetwillen begehrt?« Sie unterdrückte die Tränen, die sich in all den Jahren angesammelt hatten, in denen sie sich als Frau nicht beachtet gefühlt hatte. »Ist das wirklich so schwer zu verstehen?«
Ihr Großvater sah aus, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. »Nein!« Er kam näher. »Das war nicht das, was ich …«
»Aber so klang es.« Tränen liefen ihr über die Wangen. »Du kannst dir einfach nicht vorstellen, dass jemand in seiner gesellschaftlichen Stellung, ein Lord aus einer so vermögenden Familie, mich wirklich will. Deshalb warst du so versessen darauf, dass ich Pierces Werbung annehme. Denn welcher Mann sollte mich sonst schon wollen, ohne einen Haufen Geld als Dreingabe?«
»Oh Lämmchen, nein.« Er zog sie in seine Arme und drückte sie an sich. »So ist es nicht. Es ist nur, weil du mir so viel bedeutest. Deshalb mache ich mir Sorgen. Ich will, dass du einen Mann findest, der dich verdient. Einen Mann von gutem Charakter.«
»Er ist ein Mann von gutem Charakter«, flüsterte sie. »Aber du willst ihm keine Chance geben.«
»Wie kannst du das sagen, wo er Roger umgebracht hat?«
Sie hob ihm ihr tränenüberströmtes Gesicht entgegen. »Es war ein Unfall, Poppy, und das weißt du. Was Roger zugestoßen ist, tut ihm zutiefst leid.«
Poppy wurde störrisch. »Was für eine Art Mann nötigt einen Freund, sein Leben zu riskieren?«
»Du weißt doch gar nicht, ob er ihn genötigt hat.«
»Das weiß ich sehr wohl.«
Die eisige Gewissheit in seiner Stimme ließ ihr Blut gefrieren. »Wie kannst du es wissen?« Sie befreite sich aus seinen Armen. »Du warst nicht dabei.«
Er wandte den Blick ab. »Aber ich weiß trotzdem, was passiert ist.«
»Wieso? Was weißt du über diese Nacht?«
Er versteifte sich. »Genug davon. Du musst mir einfach vertrauen.«
»Ich verstehe.« Ihr Zorn flammte wieder auf. »Du willst nicht darüber sprechen, er will nicht darüber sprechen, und ihr beide verlangt von mir, dass ich euren Unsinn einfach demütig akzeptieren und mich zwischen euch beiden entscheiden soll. Ist es das?«
Ohne ein Wort zu sagen, stand er stoisch da.
»Gut. Ich glaube, du sagst deshalb nicht, was du weißt, weil du Rogers Andenken schützen willst. Wenn es wahr wäre, dass Lord Gabriel an Rogers Tod schuld ist, würdest du die Wahrheit wohl kaum verschweigen.« Sie reckte das Kinn vor. »Und so wie ich ihn kennengelernt habe, verschweigt er die Wahrheit möglicherweise aus demselben Grund: um Rogers Andenken zu schützen. Das spricht für ihn – nicht
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