Eine Lady zu gewinnen ...
einem anderen Partner im Rhythmus des Tanzes drehten. Die Frau, die er übers Parkett wirbelte, strahlte zu ihm herauf, und er grinste zurück.
Also gut, jetzt verstand sie, warum manche Frauen ihn vielleicht anziehend finden konnten. Er konnte einer Frau das Gefühl geben, dass es für ihn nur sie gab, wenn er mit ihr zusammen war.
Jedes Mal, wenn der Tanz sie wieder zusammenführte, lächelte er, und jedes Mal vollführte ihr Puls einen kleinen Hüpfer.
Keine Frage, sie kam viel zu selten unter Leute. Und ihr Puls war offenbar nicht geschmackssicher, was Männer betraf.
Der Tanz ging zu Ende, und er führte sie von der Tanzfläche. »Da nun die Katze aus dem Sack ist«, sagte er, »was gedenken Sie hinsichtlich Ihres Cousins zu unternehmen?«
»Überlassen Sie Pierce mir. Wir treffen uns Freitag um halb zwei. Seien Sie pünktlich.«
Pierce konnte schimpfen, so viel er wollte. Sie würde gegen Lord Gabriel antreten und gewinnen – zuerst in Ealing, dann in Turnham Green. Und dann würde sie keinen weiteren Gedanken an ihn und sein atemberaubend gutes Aussehen und seinen Ruf als Frauenheld mehr verschwenden.
3
Hetty Plumtree saß schon seit mindestens einer Stunde in der Bibliothek von Halstead Hall. Ihr jüngster Enkel hätte längst zu Hause sein müssen. Der Rest der Familie war schon vor einiger Zeit vom Ball auf Marsbury House zurückgekehrt. Und nach allem, was man ihr über den Verlauf des Abends berichtet hatte, konnte sie sich keinen Reim auf Gabes Ausbleiben machen.
Aber schließlich tat Gabe nie, was man von ihm erwartete. Der Teufelsbraten hatte eine rebellische Ader, die man ihm nicht austreiben konnte. Sie erinnerte sich, wie er einmal …
»Du hättest nicht aufbleiben und auf mich warten müssen«, sagte eine Stimme direkt neben ihr.
Sie fuhr zusammen, dann gab sie ihm einen Klaps mit ihrem Stock. »Willst du, dass mir das Herz stehen bleibt? Dich so an mich anzuschleichen! Wo kommst du überhaupt her, du kleiner Halunke?«
Ihr Enkel, der beinahe einen Meter neunzig maß, lachte und deutete auf das offene Fenster hinter ihr. Er beugte sich zu ihr herunter, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben, und der würzige Geruch von Pferden stieg ihr in die Nase. Er war offensichtlich noch im Stall gewesen und hatte selbst sein Pferd geputzt. Das beunruhigte sie. Er tat das nur, wenn ihm irgendetwas auf der Seele lag.
»Wo hast du dich herumgetrieben?«, fuhr sie ihn an. »Alle anderen sind schon seit Stunden zu Hause.«
»Soweit ich weiß«, sagte er in spöttischem Ton, während er sich in den Stuhl ihr gegenüber fallen ließ, »bin ich nicht verpflichtet, dir über mein Kommen und Gehen Rechenschaft abzulegen.«
»Sei nicht so frech«, brummte sie.
Doch er lachte nur. Das war Gabes Art, der Welt die Stirn zu bieten. Er ließ sich nicht anmerken, dass sein Herz in seinem kurzen Leben schon zweimal gebrochen worden war: zum ersten Mal durch den Tod seiner Eltern und dann noch einmal an dem Tag, als Roger Waverly starb.
Gabe verbarg seine Wunden hinter ein paar Scherzen und einem verwegenen Lächeln, aber in den letzten sechs Wochen hatte diese Fassade Risse bekommen. Er nahm die Risse nicht wahr. Sie schon. Und wenn seine Wunden wieder anfingen zu bluten, dann würden alle schlechten Scherze dieser Welt die Schmerzen nicht lindern können.
»Wie war der Ball?«, fragte sie und überlegte, wie sie das Thema ansprechen sollte, das ihr eigentlich am Herzen lag.
Sein Lächeln verschwand. »Das weißt du doch schon längst. Ich bin mir sicher, dass die anderen dir alles erzählt haben.«
Wenn er seine Karten ausspielte … »Ich habe gehört, dass du mit Miss Waverly getanzt hast. Zwei Mal.«
»So ist es.«
»Du hast doch nicht etwa vor, ihre Herausforderung anzunehmen, oder?«
»Ich habe vor, sie zu heiraten.«
Hetty starrte ihn mit offenem Mund an. »Obwohl sie dich hasst?« Meinte er das ernst?
Sein Blick verfinsterte sich. »Warum sagen das alle?«
»Weil es wahr ist.«
»Sie kann mich unmöglich hassen – sie kennt mich ja gar nicht. Sie hasst, dass ihr Bruder beim Rennen gegen mich umgekommen ist, aber das bedeutet nicht, dass sie mich hasst.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe sie immerhin dazu gebracht, mit mir zu tanzen, oder?«
»Wie hast du das angestellt? Hast du ihr gesagt, dass du gegen sie zum Kutschenrennen antrittst, wenn sie mit dir tanzt?« Als er die Schultern zuckte, schnaubte sie. »Ihr jungen Kerle wisst rein gar nichts über Frauen. Auf
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