Eine Lady zu gewinnen ...
nicht.«
»Was meinst du damit?«
»Es war Stunden später. Das Rennen fand um zwölf Uhr mittags statt.«
Ihr Magen krampfte sich zusammen. »Aber ich dachte, Lord Gabriel hat ihn herausgefordert, nachdem sie die ganze Nacht und bis in den Morgen hinein zusammen getrunken hatten. Und dann sind sie sofort losgegangen und haben das Rennen gefahren.«
»Ganz so war es nicht.«
Ihre Welt geriet ins Wanken. All die Jahre lang hatte sie geglaubt …
»Wie hat es sich denn dann abgespielt?«
»Was spielt das für eine Rolle?«, stieß er hervor. »Reicht es denn nicht, dass er Roger zu dem Rennen überredet hat, als er betrunken war, und dass er ihn dann hinaus auf diese verdammte Strecke gezerrt hat, wo er umgekommen ist?«
»Vermutlich ja«, sagte sie leise.
Doch das entsprach nicht der Wahrheit. Sie war immer davon ausgegangen, dass Gabriel Roger absichtlich betrunken gemacht hatte, damit er ihn leichter schlagen konnte. Aber wenn mehrere Stunden zwischen dem Moment, in dem Roger die Herausforderung angenommen hatte, und dem Beginn des Rennens vergangen waren …
Sie riss sich zusammen. Nein, Poppy hatte recht. Gabriel hatte in jedem Fall Rogers Trunkenheit ausgenutzt. In nüchternem Zustand hätte sich ihr Bruder niemals auf das Rennen eingelassen.
Sie wiederholte diesen Gedanken während der ganzen restlichen Fahrt zurück nach Waverly Farm.
5
Gabe wusste nicht, was ihm mehr Kopfzerbrechen bereitete: dass seine Großmutter um ein Haar die neue Vollblutstute entdeckt hätte, deren Kauf er bisher vor ihr geheim gehalten hatte, oder dass sie ihn beinahe dabei ertappt hatte, wie er Virginia küsste.
Vielleicht Letzteres. Den Ruf eines Schürzenjägers zu haben war die eine Sache. Von der eigenen Großmutter erwischt zu werden, wie man gerade dabei war, diesem Ruf gerecht zu werden, eine andere.
Besonders wenn es einen selbst derart aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Virginia Waverly hatte einen verdammt süßen Mund. Er wünschte nur, dass er mehr Zeit gehabt hätte, sich ihm zu widmen. Und er wünschte, er hätte sie auf das Stroh werfen und herausfinden können, was sich unter dem aus der Mode geratenen Kleid, das sie heute trug, verbarg – einem gelben und weißen Etwas aus Musselin, in dem sie aussah wie ein Zitronenbonbon. Ja, er wollte sie auswickeln und lutschen und ihren Geschmack auf seiner Zunge spüren und sie in den Mund nehmen, um seinen unbändigen Appetit auf Süßigkeiten zu stillen.
»Du hast mich angelogen«, sagte seine Großmutter aus heiterem Himmel.
Sein angenehmer Tagtraum verflüchtigte sich. Während er den Futtereimer holte, den er vor Flying Janes Box stehen gelassen hatte, überlegte er, was seine Großmutter gemeint haben könnte. Er musste sie aus dem Stall lotsen, bevor ihr das neue Pferd auffiel. Seine Rennleidenschaft war ihr schon immer ein Dorn im Auge gewesen.
»Was meinst du?«
»Du hast mir gesagt, dass du und Miss Waverly die Nadelöhrstrecke in Turnham Green fahren wollt, dabei habt ihr nur ein einfaches Rennen in Ealing geplant.«
Ach, das war es bloß. Schade, dass sie so schnell dahintergekommen war. Er hatte gehofft, dass die Sorge um ihn sie vielleicht dazu bewegt hätte, Celia von ihrem Heiratsultimatum auszunehmen.
Aber vielleicht ließ sich das ja doch noch bewerkstelligen.
»Ich habe nicht gelogen.« Er griff nach seinem Gehrock und ging auf seine Großmutter zu, die noch immer am Stalltor stand. »Bei dem Rennen in Ealing geht es um einen Einsatz. Wenn ich gewinne, dann gestattet mir Miss Waverly, ihr den Hof zu machen. Wenn Miss Waverly gewinnt, dann fahren wir die Nadelöhrstrecke gegeneinander.«
Seine Großmutter schnaubte. »Du weißt verdammt gut, dass du gewinnen wirst.«
Er zuckte die Achseln und trat aus dem Stall ins Freie, wo er den Futtereimer einem herbeieilenden Stallburschen gab. »Rennen sind unberechenbar.« Er warf ihr einen schalkhaften Blick zu. »Und vielleicht habe ich bei dem Rennen in Ealing ja einen Unfall.«
Sie verdrehte die Augen. »Wenn du auf dieser Anfängerstrecke einen Unfall hast, dann hast du es verdient zu verlieren. Ich werde abwarten, wie das Rennen ausgeht, und dann entscheiden, ob ich Celia von meinem Ultimatum ausnehme.«
»Wie du willst.« Sie gingen in Richtung des Hauses, wobei er seine Schritte ihrem stockenden Gang anpasste.
»Aus Miss Waverly ist ein sehr hübsches Mädchen geworden. Das überrascht mich nicht. Ihre Mutter war eine Schönheit.«
»Du kanntest ihre Mutter?«
»Sie debütierte
Weitere Kostenlose Bücher