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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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Tat um – wieder spätabends, wieder ohne Tylers Genehmigung. Er wollte das Arschloch vorführen, allen klarmachen, wer hier das Genie war. Die ganze Aktion war nicht schwieriger, als eine Spielzeugeisenbahn aufzubauen.
    Natürlich fiel Tyler die Veränderung sofort auf. John hatte erwartet, daß der Kerl die Neukonstruktion gleich wieder umbauen lassen würde. Aber Tyler tat nichts, bis ihre Nützlichkeit erwiesen war. Vielleicht war Tyler doch kein so schlechter Kerl. Tyler rief John in sein Büro. Er fragte, ob John für die Geschichte verantwortlich sei, was John bejahte. Tyler wollte wissen, weshalb er das gemacht hatte, und John erklärte ihm die Logik hinter der Sache. Er meinte, daß es großartig funktioniere und daß fortan nicht mehr zwei, sondern nur noch ein Mann an der Maschine arbeiten müßte. Tyler schien interessiert. Er forderte John auf, ihm vorzuführen, wieviel weniger an der Maschine gearbeitet werden mußte. John fand dies eine komische Bitte. Zu demonstrieren, wie etwas zu tun war, war einfach, zu zeigen, daß man nichts machen mußte, hingegen schwer. Aber John spielte mit. Was konnte schon passieren, dachte er. Schlimmstenfalls würde Tyler ihn feuern. Na und?
    Also stellte sich John neben die Metallgreifer der Hot-Dog-Maschine, allein, während ihm Tyler und ein paar Männer zusahen. Sogleich kamen Bleche mit angetrocknetem Teig angerollt, und in den ersten Minuten funktionierte alles fehlerfrei. Aber trotz Johns Verbesserung blieb hin und wieder ein Teigklumpen hängen; dies ließ sich nicht völlig vermeiden, und John griff in die Maschine und löste das künftige Hot-Dog-Brötchen vom Metall.
    Einzig die Tatsache, daß die Metallgreifer niemals ganz aufs Blech hinunterlangten, machte es einem Arbeiter möglich, eine Hand in die Maschine zu stecken. Zwischen Greifer und Backblech gab es einen Abstand von sieben Zentimetern – niemals weniger. Ein erfahrener Mann konnte selbst dann ein Teigstück gefahrlos vom Blech lösen, wenn die Greifer gerade hinuntersausten, da er immer diese sieben Zentimeter Spielraum hatte – sieben Zentimeter, keinen Millimeter mehr.
    John war erfahren. Er hatte die Reflexe einer Katze. Er kannte die Maschine in- und auswendig. Er hätte sie im Schlaf bedienen können. Oder mit verbundenen Augen. Er langte hinein und schob das Brötchen an den vorgegebenen Ort, während er gleichzeitig triumphierend zu Tyler und seinen Männern hochblickte. Die Maschine war seit zehn Minuten an, und erst jetzt mußte er etwas nachhelfen. Er hatte den Beweis erbracht. Er hatte bewiesen, wie intelligent er war. Dieser Scheißjob war für ihn nur eine Zwischenstation. Er war für größere, für wichtigere Aufgaben geboren worden, während ein Typ wie Tyler in zwanzig Jahren immer noch hier herumstehen, immer noch wie das Knack-und-Back-Männchen stinken und immer noch Männern mit erbsengroßen Gehirnen vorprahlen würde, er habe die Produktivität der Fabrik um dreißig Prozent erhöht.
    Aber John hatte im falschen Moment hochgeblickt. An diesem Tag gab es keinen sieben-Zentimeter-Spielraum. Die Metallgreifer sausten hinab, und obwohl sie das Backblech nicht berührten, kamen sie ihm sehr nahe. Man könnte natürlich fragen, weshalb dies John nicht aufgefallen war. Die Antwort ist, es hätte ihm auffallen müssen, aber er war in Gedanken bei Tyler, stellte sich vor, wie er ihn vor seinen Männern lächerlich machen würde. Allerdings muß man John zugute halten, daß die Metallgreifer rasend schnell hinabfuhren. Selbst bei voller Konzentration wäre ihm der neujustierte Bewegungsspielraum vielleicht nicht aufgefallen.
    Die Greifer schnappten zu, packten seinen Zeige- und Mittelfinger. Zuerst spürte John nur ein Rucken an seiner rechten Hand, es tat kaum weh. Aber als er hinabblickte und sah, daß ihm zwei Finger abgerissen worden waren, wäre er beinahe ohnmächtig geworden.
    Er war schockiert, paralysiert, und das war das Traurige. Denn hätte er einen klaren Kopf behalten, hätte er die beiden Finger wahrscheinlich aus der Maschine retten können. Ein geübter Chirurg hätte sie eventuell wieder annähen können, wer weiß? Zuweilen vollbringt die Medizin wahre Wunder. Aber John hatte keine Chance. Die Greifer packten seine Finger und stopften sie zusammen mit dem Hot-Dog-Teig in die Backform. Dann verschwanden sie im Ofen, während Johns Blut stoßweise zu Boden spritzte. Der Anblick seiner zerstückelten Hand war zuviel für ihn.
    Die anderen eilten zu Hilfe. Tyler war

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