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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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sein.«
    Free nickte. »Stimmt. Gleich nach der nächsten Kurve.«
    Teresa erschauderte; es war schwer vorzustellen, daß sich irgendwo in der Nähe ein Haus befand. »Glücklicherweise bist du aufgewacht, sonst wären wir glatt dran vorbeigefahren.«
    »Das hätte Poppy schon verhindert«, sagte Free. Nach hinten gewandt: »Unseren kleinen Abstecher läßt du dir doch nicht entgehen, Poppy, oder?«
    Poppy schniefte leise. »Doch, ich gehe nicht mit rein.« Free tat so, als wäre er erstaunt. »Willst du nicht deine Zukunft erfahren?«
    »Sie kann nicht in die Zukunft sehen«, sagte Poppy. »Sie kann nur die Vergangenheit lesen.«
    »Hast du nicht behauptet, man könne aus der Vergangenheit lernen?« fragte Free unschuldig.
    »Ich will die alte Frau nicht sehen«, wiederholte Poppy. »Wenn du klug bist, Teresa, gehst du auch nicht mit rein.«
    »Wieso nicht?« fragte sie, obwohl sie dem Gespräch nur mit halbem Ohr gefolgt war. Frees Mutter schien keine normale Mutter zu sein. Teresa faßte sich kurz ans linke Handgelenk. Würde der Schmerz denn nie aufhören?
    »Weil sie alles für wahr hält, was sie in einem Menschen zu erkennen glaubt«, sagte Poppy. »Und das meiste ist reiner Schwachsinn, den man besser ignorieren sollte.«
    »Du meine Güte, spielst du jetzt die große Kritikerin der Philosophie?« fragte Free. »Du willst sie doch bloß nicht sehen, weil sie dir erzählen wird, was für eine Versagerin du bist.«
    »Eine Versagerin erkennt man immer an der Gesellschaft, mit der sie sich umgibt«, entgegnete Poppy trocken.
    Plötzlich hob Free eine Hand. »Langsam, Teresa, gleich kommt die Einfahrt.«
    Teresa blinzelte durch die regennasse Windschutzscheibe. »Hier? Hier ist nichts.«
    Free klatschte in die Hände. »Dort! Siehst du? Die Einfahrt führt hinunter zum Wasser. Fahr links rein.«
    Free hatte recht. Wow. Zu ihrer Linken erschien ein schmaler, von Bäumen gesäumter Weg. Eilig warf Teresa das Lenkrad herum und trat vorsichtig auf die Bremse. Plötzlich neigte sich die Vorderseite des Wagens steil nach unten, und Teresa trat stärker aufs Bremspedal. Das Scheinwerferlicht strahlte in einen finsteren Baumtunnel hinein. Es schienen keine Koniferen zu sein, was Teresa irritierte. Dicht an dicht strichen die Äste über das Wagendach und versperrten die Sicht zum Himmel. Teresa kurbelte das Fenster herunter, während sie bedächtig bergab fuhr. Sie konnte die tosende Brandung hören, das Heulen des Windes. Free rutschte auf seinem Sitz hin und her, offensichtlich voller Vorfreude auf das Wiedersehen mit seiner Mutter.
    »Warte, bis du ihr Haus siehst«, sagte er. »Du wirst es nicht glauben.«
    Kurz darauf sah Teresa, daß Free nicht übertrieben hatte. Am Ende des Baumtunnels erhoben sich gischtbedeckte Felsen, dahinter lag das Meer; zu ihrer Rechten ragte ein riesiges, steinernes Schloß in den düsteren Himmel. Es sah beinahe mittelalterlich aus, wie ein Überbleibsel aus den dunklen Jahrhunderten des fanatischen Aberglaubens und der grausamen Verfolgungen. Es gab keinen Burggraben, aber es hätte einen geben können. An den Mauern rankten knorrige Äste empor, krallten sich ins Gestein, als wollten sie das Schloß verschlingen. Es blitzte wieder, und Teresa mußte unweigerlich an Hexen, verwunschene Wälder und blutsaugende Fledermäuse denken. Am liebsten wäre sie umgekehrt und nach Hause gefahren. Doch sie wollte es nicht wirklich, sagte sie sich, weil sie wußte, daß sie nicht zurück konnte. Free hatte recht gehabt, als er sagte, vorbei sei vorbei. Ihr blieb nur noch die Zukunft.
    »Das ist zuviel für mich«, entfuhr es ihr. »Sieht aus wie ein Drogentraum von Walt Disney.«
    Free lachte und machte die Tür auf. »Ich sagte doch, du würdest es nicht glauben«, sagte er und stieg aus. »Komm, Teresa, Mutter wartet.«
    Teresa stellte den Motor ab und drehte sich zu Poppy um. »Es ist doch nicht gefährlich, da reinzugehen, oder?«
    Poppy seufzte. »Sagen wir mal so, du wirst da drinnen nicht sterben.«
    Neugier und der Wunsch, Free nicht zu verärgern, hatten Oberhand gewonnen. Teresa sah noch einmal zu dem Gebäude hinüber und räusperte sich. »Ich schätze, ich muß es mir mal ansehen.«
    Free hatte eine Stofftasche dabei, als er und Teresa zur Eingangstür gingen. Es war natürlich keine normale Tür, sondern vielmehr ein Portal, ein Tor ins Unbekannte. Free zog einen großgezackten Schlüssel aus der Tasche.
    »Willst du nicht klopfen?« fragte Teresa.
    »Mutter mag es nicht, wenn Leute

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