Eine lange dunkle Nacht
Monat«, widersprach Poppy. »Sie sind immer noch deine Freunde, Teresa.«
»Ich wußte es!« brüllte Free. »Sie linken Teresa total ab, und du meinst, das sei in Ordnung. Du hast echt ein Rad ab, Poppy. Weißt du, was die beiden jetzt gerade treiben? Wahrscheinlich liegen sie im Bett und – verzeih, Teresa, aber das muß so deutlich gesagt werden – und vögeln sich die Seele aus dem Leib. Ich würde sogar wetten, die haben es schon am ersten Abend miteinander getrieben. Was meinst du, Teresa?«
»Gut möglich«, stimmte Teresa ihm zu. Sie wußte seine Unterstützung zu schätzen, wünschte sich aber, daß er sich weniger plastisch ausdrücken würde. Was Poppy gesagt hatte, ging ihr gegen den Strich. Es war leicht, die Philosophin zu spielen und großmütig zu verzeihen, wenn man nicht selbst betroffen war. Sie würde wetten, mit Poppy hatte noch nie jemand Schluß gemacht.
»Jemanden zu verlassen kann genauso schlimm sein, wie verlassen zu werden«, sagte Poppy.
»Ich glaub's einfach nicht«, rief Free fassungslos.
»Deine Sprüche kannst du dir ruhig sparen«, sagte Teresa zu Poppy. »Du hast doch keine Ahnung, was passiert ist. Du warst nicht dabei. Halt besser einfach den Mund.«
Poppy erwiderte nichts, sondern zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die ohnehin schon verpestete Luft. »Tut mir leid«, sagte sie schließlich.
»Können wir nicht über etwas anderes sprechen?« bat Teresa. »Free, erzähl die Geschichte von John weiter. Was passierte mit seiner Hand? Wurde sie besser?«
»Nein«, sagte Free. »Wie auch? Aber ich erzähle später weiter, okay? Als nächstes steht Mutter auf dem Programm.«
»Wo genau wohnt sie?« wollte Teresa wissen.
Free deutete auf die dunklen Klippen vor ihnen. Sie hatten San Luis Obispo weit hinter sich gelassen, und mittlerweile führte die Straße bergauf und schlängelte sich durch die zerklüftete Landschaft. Links, weit unter ihnen, tosten schwarze Wellen gegen das felsige Ufer. Rechts von ihnen ragte eine steile Felswand in die Höhe. Es regnete noch immer.
»Nicht weit von hier«, sagte Free. »Wir sind bald da.«
Sie waren erst eine Stunde später da. Free hatte sich zurückgelehnt, war eingenickt und schnarchte leise vor sich hin. Poppy saß still und regungslos auf dem Rücksitz. Jedesmal, wenn Teresa glaubte, daß auch Poppy eingeschlafen wäre, zündete diese ihr Feuerzeug an, und die orangefarbene Flamme leuchtete für einen Moment in Teresas Rückspiegel auf. Teresa hatte keine Lust, sich mit Poppy zu unterhalten. Sie wollte Free nicht wecken, und sie war noch immer sauer auf Poppy, weil diese für Bill Partei ergriffen hatte. Poppy würde das natürlich abstreiten, dessen war sich Teresa sicher, doch es stimmte. Genau betrachtet war Poppy eine undankbare Ziege. Sie nahm nur, gab nichts. Eines Tages würde sie schon sehen, was sie davon hatte.
Teresa fühlte sich miserabel. Ihr Fieber war heruntergegangen, aber jetzt bekam sie Schüttelfrost. Sie stellte die Heizung an, was nicht viel nützte, da sie wegen des Zigarettenqualms ständig das Fenster herunterkurbeln mußte. Ihr Magen rebellierte. Sie hatte ein paar von Poppys Erdnüssen gegessen und fragte sich, ob ihre Magenschmerzen daher kamen. Die Übelkeit pulsierte in wellenartigen Stößen durch ihren Körper. Jedesmal, wenn sie glaubte, es überstanden zu haben, kam ein neuer Anfall. Sie hatte Grippe, das mußte es sein.
9. Kapitel
Zu allem Übel begann ihr linkes Handgelenk noch stärker zu schmerzen. Aus dem kaum merklichen Ziehen war ein qualvolles Pochen geworden. Sie fragte sich allen Ernstes, ob sie sich, ohne es zu merken, das Handgelenk gebrochen hatte. Sie konnte die linke Hand nicht mal mehr zum Lenken benutzen. Jetzt mußte sie sich voll und ganz auf die rechte verlassen, was in den engen Kurven ziemlich gefährlich war. Dennoch wollte sie weder Free noch Poppy bitten, sie am Steuer abzulösen.
Auf der Straße waren ihr höchstens drei Autos begegnet, mehr nicht.
Als sie durch eine besonders schwierige. Haarnadelkurve manövrierte, zuckten weit draußen über dem Meer grelle Gewitterblitze. Beide Straßenseiten wurden jetzt von hohen Bäumen gesäumt. Dumpfer Donner grollte durchs Geäst und schüttelte das dunkle Blattwerk. Free reckte sich; dann setzte er sich auf und gähnte verschlafen.
»Wo sind wir?« fragte er.
»In der Nähe von Big Sur«, sagte Teresa. »Aber weit und breit keine Häuser. Das Haus deiner Mutter muß irgendwo da vorn
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