Eine Leiche im Badehaus
nicht der erste Todesfall.«
»Es wird auch nicht der letzte bleiben.«
»Kann ich die anderen Leichen sehen?«
Er starrte mich an. »Natürlich nicht. Die sind längst eingeäschert.«
Misstrauisch wie immer fragte ich mich, ob das nicht Vertuschung war. »Hast du die Leichen inspiziert, Alexas?«
»Einige hab ich gesehen. ›Inspiziert‹ ist ein zu starker Ausdruck. Wir hatten einen Mann, der von einer dieser Kreuzblumen an Dächern erschlagen wurde.« Alexas ging hinaus in den Verbandsraum, suchte unter einer Theke und kam mit dem Beweisstück zurück, ein schwerer Klotz in Form eines vierseitigen Bogens – ein Miniatur-Tetrapylon – mit einer Kugel obendrauf. Er ließ ihn mir in die Arme fallen, und ich schwankte leicht.
»Ja, das kann einem den Schädel eindellen.« Ich befreite mich rasch davon, schob das schwere Ding auf ein Bord. »Hebst du es aus einem besonderen Grund auf?«
»Gibt eine hübsche Vogelhütte ab.« Alexas grinste. Auf Baustellen wird ständig Zeug für den Eigenbedarf geklaut. Mir fiel auf, dass eines der vier Bogenenden fleckig war. »Spatzen stören sich nicht an ein bisschen Blut, Falco.«
»Hm … Sonst noch Unfälle?«
»Einer wurde von einer Marmorplatte zerquetscht. Der Marmoraufseher war wütend, dass sie beschädigt wurde. Er behauptet, sie sei unbezahlbar gewesen.«
»Ein herzloses Schwein?«
»Er hat reagiert, ohne darüber nachzudenken, nehme ich an. Und ein anderer Mann hat letzte Woche bei einer Rauferei einen Spaten über den Kopf gekriegt.«
»Ist das ungewöhnlich?«
»Leider nicht. Auf Baustellen liegt immer genug Werkzeug rum, und es gibt genügend Hitzköpfe, die damit umgehen können.«
»Bevor ich Rom verließ, hatte ich es auch mit einem Spatenmord zu tun«, sagte ich, da ich wieder an Stephanus denken musste, der erschlagen und unter Papas neuem Mosaik verbuddelt worden war.
»Ich hab schon eine Menge gesehen«, meinte Alexas. »Männer, die mit der Axt getötet wurden, durch Kräne enthauptet, ertrunken, zerquetscht, Arme und Beine ab …«
»Und das alles auf der Palastbaustelle?« Ich war entsetzt.
»Nein, Falco. Ein paar hier. Könnten noch mehr werden.«
»Ein Mann wurde erstochen, hab ich gehört? Messerstecherei. Mit Alkohol im Spiel.«
»Scheint so. Ich hörte, das sei in der Stadt passiert. Der Mann wurde nicht hergebracht.« Er war geduldig, hielt mich aber für einen Zeitverschwender.
»Versteh mich nicht falsch, Alexas, ich halte nicht nach Ärger Ausschau. Ich habe nur gehört, dass die Todesrate hier zu hoch ist, und das könnte bedeutsam sein.«
»Bedeutsam für was? Nachlässige Verwaltung?«
Na gut, das konnte als Erklärung herhalten, bis ich eine genauere Definition fand. Falls das überhaupt möglich war.
Ich verließ ihn, damit er einem Arbeiter den bluttriefenden Finger verbinden konnte. Mir fiel auf, wie ruhig er die Aufgabe bewältigte – genau wie alles andere, einschließlich meinem Herumstochern nach Skandalen.
Nachdem ich mich mit ihm unterhalten hatte, meinte ich ihn zu verstehen. Er war ein Mann Mitte zwanzig, glanzlos in Aussehen und Persönlichkeit, der als Spezialist eine Nische gefunden hatte. Er war zufrieden, schien zu wissen, dass er unter ungünstigeren Lebensumständen ein Niemand geworden wäre. Ein glücklicher Zufall hatte dazu geführt, dass ihm medizinische Routineaufgaben übertragen worden waren. Er teilte Kräuterarzneien aus, stillte Blutungen bei einfachen Wunden, entschied, wann ein Wundarzt geholt werden sollte, hörte den Bedrückten auf hilfreiche Weise zu. Vielleicht würde ihm einmal während seiner Laufbahn ein echter Wahnsinniger begegnen, den man schnellstens ans Bett fesseln musste. Vielleicht kamen durch seine Unkenntnis ein paar Patienten ums Leben, aber das trifft auf mehr Ärzte zu, als diese zugeben wollen. Insgesamt war er ein Segen für die Gesellschaft, und dieses Wissen machte ihn froh.
Mich wiederum machte es froh, dass Alexas es als Angelegenheit professioneller Kompetenz betrachten würde, Ungereimtheiten an mich weiterzumelden. Sonst würde ich keine Hinweise finden. Für Informationen über die bisherigen »Unfälle« würde ich mich auf Alexas verlassen müssen.
Aber jetzt hatte sich die Situation geändert – ich war hier. Das sollte alle beruhigen, die das Missgeschick hatten, unter undurchsichtigen Umständen abgemurkst zu werden.
Als ich das Krankenrevier verließ, lungerte jemand draußen auf eine Weise herum, die mich zweimal hinsehen ließ. Ich
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