Eine Leiche im Badehaus
anderen hergebracht hatte, was mir den abendlichen Ritt auf dem Esel ersparte, bevor ich mich zum Essen setzen und entspannen konnte. Außerdem war inzwischen klar, dass ich regelmäßigen Zugang zu meiner Kleidertruhe brauchte. Während ich an einem Fall arbeitete, wechselte ich eigentlich gerne den Schauplatz. Der Verdruss mit Aufträgen in der Provinz war immer derselbe, Ort und Personen blieben einem Tag und Nacht erhalten. Es gab kein Entrinnen.
Mir fehlte Rom. Dort konnte ich mich nach einem langen Arbeitstag auf dem Forum verlieren, in den Bädern, bei den Rennen, am Fluss, im Theater und tausenden Straßentreffpunkten, wo es genug Ess- und Trinkbares gab, um einen von allem Ärger abzulenken. Ich war seit drei Tagen hier und hatte bereits Heimweh. Mir fehlten die großen, vor Menschen wimmelnden Mietskasernen in den heruntergekommenen Vierteln ebenso wie die hoch gelegenen Tempel, glitzernd vor Bronze und Kupfer, die unsere berühmten Hügelkuppen krönen. Ich wollte heiße Straßen voll zerbrochener Amphoren, streunender Hunde, Fischgräten und runterkrachender Blumenkästen, aufdringlicher Wurstverkäufer, die lauwarme Ware anboten, Leine um Leine mit frisch gewaschenen Tuniken, aufgespannt zwischen Fenstern, aus denen neunzigjährige alte Vetteln lehnten und die Mädchen auf der Straße beschimpften, die zwielichtigen Badeölverkäufern – vermutlich alles Bigamisten – zu viel Bein zeigten.
In Noviomagus konnte sich niemand mehrere Frauen zulegen, weil er bei der niedrigen Bevölkerungszahl sofort auffliegen würde. Jeder Tunichtgut mit einem Torques um den Hals würde entdeckt und prompt in seine eigene Hütte zurückgezerrt werden. Ich sehnte mich nach einer Stadt, in der Betrug blühte und es Hoffnung auf ausgefeiltere Arglist gab. Ich lechzte nach einem Hauch von Perversion, der sich mit dem süßen Duft von Weihrauch, Fichtennadeln und Majoran vermischte. Ich war mehr als bereit für einen nach Knoblauch schmeckenden Kuss von einer aufrührerischen Schankkellnerin oder hätte mir ohne weiteres von einem schleimigen Lukaner ein aus einem exotischen, schlecht einbalsamierten Sexualorgan gemachtes Amulett andrehen lassen. Ich wollte Schauerleute und Girlandenmädchen, Bibliothekare und Zuhälter, hochnäsige Finanziers in luxuriösen Purpurtogen, ihre überhitzte Wolle vollgesogen mit dem ekligen Farbstoff von den Küsten der Tyrene, der so durchdringend nach den Muscheln stinkt, aus denen er gepresst wird. Ach, ihr Götter, mir fehlte der vertraute Lärm und Stress meiner Heimatstadt.
Drei Tage in Britannien, und ich konnte es kaum erwarten, wieder abzureisen. Aber so bald nach unserer Ankunft war der Gedanke an die endlose Rückreise nach Italien fast unerträglich. Bevor wir uns das antaten, würde ich uns vielleicht eine rasche Aufmunterung durch das Stadtleben in Londinium gönnen.
Jeder, der schon mal dort gewesen ist, wird das als Witz verstehen.
Es musste Juni sein. Zu Hause war der Himmel sicherlich blitzeblau. Wir hatten das große Blumenfest verpasst. Inzwischen waren sie zu Helden und Kriegsgöttern übergegangen.
Hier war das Wetter freundlich, na ja, ich konnte es mir wenigstens einbilden. Alle saßen an diesem schönen Abend draußen, wir Römer mit warmen Umhängen um unsere Schultern. Heute waren uns zwanglose Essentabletts von den Dienstboten des Königs gebracht worden, und wir aßen im Garten. Camilla Hyspale fröstelte die ganze Zeit demonstrativ, was uns andere in dem Entschluss bekräftigte, die frische Luft zu genießen.
Unsere kleine Favonia war unruhig. Ich versuchte sie auf den Armen zu schaukeln. Das funktioniert in Anwesenheit Dritter nie. Säuglinge wissen, dass man andere mit seiner magischen Berührungskraft beeindrucken will. Sie hören auf zu nörgeln – und brüllen dann umso lauter.
»Warte noch zwanzig Jahre, dann wird sie wirklich gut sein«, höhnte Maia. Nux kroch unter Helenas Rock und jaulte leise.
Helena, die müde aussah, jaulte zurück.
Ich probierte es mit dem Trick, aufzustehen und langsam auf und ab zu gehen. Bei meiner Mutter klappte das immer. Einmal, als Julia drei Tage lang ohne Unterbrechung gebrüllt hatte, sah ich, wie Mama sie innerhalb von fünf Schritten beruhigte. Favonia ließ sich von meinen Bemühungen nicht täuschen.
Weiter hinten in dem großen Garten nahe den Wohnräumen des Königs sahen wir Verovolcus. Er saß mit einer Gruppe anderer Briten zusammen. Sie hatten zur selben Zeit wie wir ihr Essen bekommen und trödelten
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