Eine Leiche im Badehaus
jetzt mit ihren Speisen und Getränken herum. Alles wirkte gedämpft, würde aber vielleicht nicht so ruhig bleiben. Verovolcus schaute in unsere Richtung. Instinktiv vermieden wir Blickkontakt. Wir zogen es vor, unter uns zu bleiben. Ich wollte auf keinen Fall, dass es zu einem allabendlichen internationalen gesellschaftlichen Austausch kam. »Er scheint sich die Anweisung des Königs zu Herzen genommen zu haben, sich zurückzuhalten und dich deine Arbeit tun zu lassen«, bemerkte Helena leise. Sie wusste, was ich empfand.
Ich ließ Favonia auf und ab hüpfen. Sie beschloss, mit dem Brüllen aufzuhören. Ein blubbernder Schluckauf zeigte mir, dass sie diesen Beschluss jederzeit rückgängig machen konnte.
Julia, die auf dem Gras herumkrabbelte, bemerkte jetzt die Stille und stieß einen gellenden Schrei aus. Meine Schwester Maia beugte sich zu ihr hinunter und wedelte mit einer Puppe. Julia schlug sie zur Seite, hörte aber auf zu schreien.
»Ins Bett?«, drohte Maia.
»Nein!« Geliebtes kleines Püppchen. Das war eines ihrer ersten Worte gewesen.
Ich schaute hinüber zu Verovolcus und beobachtete ihn auf dieselbe Weise, wie er uns beobachtete. »Ich möchte ja nicht ungesellig sein, aber …«
»Vielleicht ist es ja andersherum.« Helena lächelte. »Hier sitzen wir, schick gekleidet, brabbeln laut in Latein und protzen mit unserer Liebe zur Kultur. Vielleicht bibbern unsere schüchternen britannischen Gastgeber vor Furcht, dass Höflichkeit sie zwingen wird, sich unter einen Haufen nassforscher Römer zu mischen.«
Wir schwiegen. Sie hatte natürlich Recht. Hochnäsigkeit kann durchaus zwei Seiten haben.
Die schönen Räume des alten Hauses lagen zwischen dem Hofgarten und der Zufahrtsstraße, was bedeutete, dass der Garten friedvoll war, durch den Bau geschützt vor dem Verkehrslärm. Aber an diesem stillen Sommerabend drangen von der Straße trotzdem Geräusche zu uns. Stimmen und Schritte ließen darauf schließen, dass sich Männer in Gruppen von der Baustelle entfernten. Sie hatten gegessen und waren jetzt unterwegs zu ihren abendlichen Freizeitaktivitäten. Ihr Ziel konnte nur Noviomagus sein, wo Frauen, Alkohol, Glücksspiel und Musik geboten wurden – die zweifelhaften Vergnügungen der Canabae. Während die unsichtbare Prozession an uns vorbeizog, dachte ich mit Schrecken an die frühen Morgenstunden, in denen sie wieder zurückkommen würde. Helena las meine Gedanken. »Gestern Nacht war ich zu müde, um irgendwas mitzukriegen. Zweifellos kriechen die wie diskrete kleine Mäuse in ihre Baracken zurück.«
»Mäuse machen einen verdammten Lärm.« In der Brunnenpromenade gab es mal eine Mäuseplage. Die Viecher hatten alle unter Militärstiefeln ihr Leben ausgehaucht.
Ein Besucher beehrte uns doch noch an diesem Abend. Vom Lager hinter den Bauhütten kam Sextius; jemand anders musste wohl auf seine Wagenladung aufpassen, denn er brachte Aelianus mit. Ich lud sie ein, sich zu uns zu setzen. Wir gaben ihnen Trinkbecher, aber keine Essschalen. Das würde ganz natürlich wirken; wir waren alle Außenseiter, die zusammen von Gallien herübergekommen waren und Bekanntschaft geschlossen hatten. Sextius und sein Gehilfe könnten uns ernst genommen haben, als wir die in solchen Situationen fällige Einladung »Kommen Sie doch mal vorbei, dann trinken wir was zusammen …« ausgesprochen hatten. Wobei wir natürlich in Wirklichkeit genau das Gegenteil gemeint hatten.
Ich hatte nach wie vor die Kleine auf dem Arm, was die Sache noch weniger förmlich machte.
Sextius richtete seine Aufmerksamkeit auf Maia, obwohl er in einiger Entfernung von ihr saß. Er sprach kaum mit ihr und machte keine unverhohlenen Annäherungsversuche. Maia blies immer noch Trübsal. Sie hielt sich für sich, außer sie wollte jemanden beleidigen. Normalerweise war meine Schwester eine fröhliche Seele, aber wenn sie Trübsal blies, sorgte sie dafür, dass die Welt es mitbekam. Jede meiner Schwestern konnte, wenn sie schlecht gelaunt war, die ganze Familie mit runterziehen. Maia, die normalerweise die sonnigste war, schien der Meinung zu sein, sich nun auch mal düsterste Schwermut leisten zu können. Hyspale ließ sich auf die Knie nieder und fing tatsächlich an mit Julia zu spielen. Auf diese Weise konnte auch sie sich distanzieren. Als Freigelassene war sie Teil der Familie. Wir erlaubten ihr – ermutigten sie sogar dazu –, sich an unseren allgemeinen Unterhaltungen zu beteiligen. Jetzt zeigten sich wieder ihre
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