Eine Leiche zu Ferragosto
ans Meer schien den Frieden zu besiegeln, doch seit Elenas Tod hatte der Geistliche keine Ruhe mehr gefunden. Er hatte auf Zeit gespielt, aber mittlerweile war die Last unerträglich geworden, er musste etwas tun, und er würde es tun.
Bebès Tod änderte alles.
Santomauro tat sich schwer zu glauben, dass Valentina Elena aus Liebe zu Pippo umgebracht hatte, und der Mord an Samir machte die Version noch unwahrscheinlicher.
Samir und Valentina waren Freunde gewesen, sie hatte ihn gern gehabt auf ihre besondere, unbefangene und rückhaltlose Art. Mebazi zufolge hatte sie ihn sogar zu überzeugen versucht,sich nicht mehr zu prostituieren, hatte ihm Geld angeboten, um einen eigenen Laden aufzumachen und wieder in dem Beruf zu arbeiten, den er in seiner Heimat ausgeübt hatte, bis er dann als Filmemacher Erfolg haben würde, aber Samir hatte abgelehnt, er wollte keine Almosen.
Santomauro hielt sie einfach nicht für fähig, den jungen Mann zu töten und im Sand zu verscharren wie einen Hund.
Doch nun, nach Bebès Tod, war alles anders. Der Maresciallo erinnerte sich an ihren zögernden Tonfall, an den Zweifel in ihrer Stimme. Sie wusste etwas, das sie erst kürzlich entdeckt hatte, etwas, das einen ihrer Freunde betraf, das sie selbst nicht glauben wollte und das dennoch ihr Todesurteil gewesen war.
Valentina war sicherlich in die Sache verwickelt, die flüchtige, nicht zu fassende, geheimnisvolle Valentina, die ihn die ganze Zeit zum Narren hielt. Und die anderen? Die sogenannten Freunde von ihr und Elena Mazzoleni? All die Menschen, von denen jeder ein Motiv gehabt hätte, Elena umzubringen.
Santomauro fühlte, wie eine dumpfe Wut in ihm aufstieg. Auf sich selbst, weil er sich bei den Ermittlungen wie ein Idiot angestellt hatte. Auf Elena, die sich mit so vielen Leuten angelegt hatte. Auf Valentina, die immer noch ihr Spiel mit ihm trieb.
In dieser nicht gerade blendenden Gemütsverfassung suchte er am Vormittag de Collis auf: Nun war der Moment gekommen, ihn nach dem Grund für seine Zurückhaltung zu fragen. Er fand ihn betrunken auf der Terrasse sitzend, ungeachtet des Windes, der gerade aufkam. Auf dem Boden neben ihm lag ein kunterbuntes Durcheinander aus halbleeren Flaschen, die nicht unbedingt den guten Geschmack, aber doch die Hartnäckigkeit und Entschlossenheit des Trinkenden bezeugten. Chivas, Bacardi, Baileys, Martini, Don Carlos Primero und sogar ein Jahrgangswein tummelten sich in brüderlichem Chaos, und der Arzt war offensichtlich so heillos betrunken, dass der Maresciallo keine Chance sah, ihn zu Bewusstsein zu bringen. Er würde einen schrecklichen Kater haben, dachte Santomauro schaudernd, während er sich abwandte und ging, doch dannkehrte er auf ein leises Murmeln des Mannes hin noch einmal um. Mit seiner nackten, likörverschmierten Brust, den zerzausten Haaren und dem schweren Atem war de Collis Welten von der stets korrekten, unfehlbaren Koryphäe entfernt, die Santomauro beruflich kennengelernt hatte. Er öffnete die Augen, sah ihn starr an und nuschelte: »Ich habe sie nicht erkannt. Arme Bebè, es ist alles meine Schuld, meine Schuld.« Dann fiel ihm der Kopf auf die Brust zurück, und er begann zu schnarchen.
Santomauro schlich auf Zehenspitzen fort. Der Arzt war der Einzige aus der Gruppe, der ein halbwegs stichhaltiges Alibi hatte, da er während der Vorführung neben einer Mutter mit ihrem schreienden Gör gesessen und sie die ganze Zeit vorwurfsvoll angesehen hatte. Sie konnte sich an ihn erinnern und hatte dies zu seinem Glück auch zu Protokoll gegeben.
Aber was bedeutete es dann, dass er Bebè Polignani nicht erkannt hatte? Es war dunkel gewesen, sie völlig durchnässt, von Algen und Blut verschmiert, da hatte auch Santomauro nicht sofort gewusst, um wen es sich handelte. Und? Gelalle eines Betrunkenen, beschloss er, während er den Wagen anließ und auf die Allee einbog.
Als er durch Pioppica Sotto kam, hätte er um ein Haar zwei Männer überfahren, die mit einer Leiter auf Rädern den Lichterschmuck quer über der Straße befestigten. Das Dorffest! Das hatte er völlig vergessen.
Er bremste ab, um zu schauen, ob alles in Ordnung war, und sah, wie der ältere Elektriker ihn mit einer unschönen Geste bedachte. Aus einem Wurstgeschäft in der Nähe kam Gnarra mit einer Cola in der Hand und begrüßte ihn überschwänglich.
Die Aufsicht über die Vorbereitungen des Festes der heiligen Atenaide lag also in besten Händen.
Eine solche Gelegenheit würde sich nicht
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