Eine Leiche zu Ferragosto
Manfredi stimmten zähneknirschend zu. Titta Sangiacomo konnte es kaum fassen, ein Publikum gefunden zu haben, und dozierte mit dem Glas in der Hand munter drauflos. Die beiden warteten auf eine Gelegenheit, sich wiederin die Unterhaltung einzuklinken, die von den Zeitungsberichten über das Verbrechen ausgegangen war, die cilentanische Küche gestreift hatte und nun bei der lokalen Toponomastik angelangt war.
»Und tatsächlich war Pantaleo Stifano seit seiner Kindheit ein begeisterter Esoteriker.« Pantaleo Stifano hieß der Bauherr, der vor dreißig Jahren einen Großteil der Villen in der Umgegend errichtet hatte, anschließend die Parzellen verkauft hatte zu damals astronomischen Preisen, um sich dann ins goldene Exil nach Barbados zurückzuziehen.
»Das erklärt einiges, aber Sigmalea?« Triumphierend trank Sangiacomo einen Schluck und fuhr fort. »Leontina Sigma, genannt Lea, die Mutter! Pantaleos Mutter, das Urbild der italienischen Mamma, ohne die unser Freund immer noch ein kleiner Fisch wäre. Ihr hat er sein Meisterwerk gewidmet«, und mit einer ausholenden Armbewegung wies er auf die Umgebung, wie um zu zeigen, dass dies alles ihm gehörte.
»Wie ich sehe, kennen Sie sich gut aus hier«, nutzte Santomauro die Gelegenheit, sich einzuschalten. Der Journalist biss an.
»Aber ja, schließlich komme ich seit meiner Kindheit hierher. Meine Eltern gehörten zu den Ersten, die gekauft haben. Ich kenne alle, und alle kennen mich.«
»Auch Valentina Forlenza?«
»Nun, wer sollte Valentina nicht kennen?«, meinte Titta mit anzüglichem Zwinkern. »Klar, wir haben als Kinder zusammen gespielt, und wenn sie heute zurückkommt, geht man manchmal zusammen aus. Haben Sie sie schon getroffen?«
»Nein, noch nicht.«
»Tja, dann seien Sie gespannt, sie ist eine wahre Schönheit. Kennen Sie ›Pocahontas‹? Den Disney-Film? Ungefähr so, vielleicht noch ein klein wenig schöner.«
»Was macht die Signorina denn genau? Wir konnten sie bisher nirgends erreichen.«
»Ich bezweifle auch, dass Ihnen das gelingen wird. Sie ist eine Vagabundin: immer unterwegs. Meinen letzten Informationenzufolge war sie für Nokia in Helsinki. Sie ist topp in ihrem Beruf, auch wenn man auf den ersten Blick nicht glauben würde, dass sie Elektroingenieurin ist, deshalb kann sie es sich erlauben, als Freiberuflerin kreuz und quer durch die Welt zu fliegen. Was sie letztlich auch am liebsten macht. Von einer Blüte zur nächsten fliegen, meine ich«, schloss er mit einem anzüglichen Augenzwinkern. Die beiden Carabinieri sahen ihn an, Santomauro ohne jede Sympathie, Manfredi sogar fast verächtlich.
»Verstehe. Dann waren Sie also auch mit der jungen Dame liiert?«
»Ach, was heißt schon liiert. Außerdem, über diese Dinge schweigt der Ehrenmann. Sagen wir, dass ich sie sehr gut kenne.«
»Umso besser. Was können Sie uns über ihr Verhältnis zu Elena Mazzoleni sagen? Waren die beiden befreundet?«
»Wenn man es so nennen will. Jedenfalls kratzten sie sich nicht in aller Öffentlichkeit die Augen aus. Sie wahrten einen gewissen Anstand. Valentina schert das alles nicht, aber ich kann Elenas Position verstehen. Ist nicht gerade leicht, vor den Freunden so zu tun, als ob nichts wäre, wenn da eine kommt und deinen Mann vögelt.«
Santomauro verkniff sich ein Lächeln. Endlich mal eine konkrete Aussage. Dennoch musste er bedächtig vorgehen.
»Aber das war doch eine alte Geschichte, oder?«, fragte er unschuldig. »Noch aus Jugendzeiten, die erste große Liebe oder so etwas.«
»Abgesehen davon, dass Valentina ihre erste große Liebe sicher schon im Kindergarten abgehakt hat, bezog ich mich nicht auf diese Episode, sondern auf eine spätere. Valentina hat sich Pippo wieder unter den Nagel gerissen, sobald ihr der Sinn danach stand, ein, nein, zwei Jahre nach seiner Hochzeit. Sie kam zum Urlaub-Machen her zusammen mit einem Motorradfahrer, einem riesigen Burschen, den wir hinter seinem Rücken alle nur ›Tattoo‹ nannten. Die Teile von ihm, die nicht tätowiert waren, waren mit Haaren bedeckt, wirklich beängstigend, aber sie ließ ihn nach ihrer Pfeife tanzen. Tja, Valentina versteht eseben, mit Männern umzugehen.« Mit träumerischer Miene verlor er sich in Erinnerungen, und gerade, als Manfredi langsam ungeduldig wurde, fuhr er fort.
»Es war das erste Mal seit fünf Jahren, dass sie nach Pioppica zurückkehrte. Wir konnten es alle kaum erwarten, Männer wie Frauen, denn Valentina ist eine Macherin, bei ihr ist immer was
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