Eine Leiche zu Ferragosto
meiner Frau besorgt, letztes Jahr, und fast allen ihren Freundinnen obendrein, und zum Dank habe ich ihm seine ersten Filmaufnahmen finanziert.«
»Ähm, Professore, ich kann nicht ganz folgen, was daran jetzt Spaß ist und was …«
»Von wegen Spaß! Wenn Sie mit meiner Frau verheiratet wären, würden Sie auch jedem auf Knien danken, der sie hin undwieder bearbeitet, wenn sie der Hafer sticht, und sei es gegen Bezahlung. Abgesehen davon ist es ein offenes Geheimnis, dass meine Frau und ich de facto getrennt sind. Ich habe meine Geschichten am Laufen und sie ihre. Auch wenn wir noch zusammen wohnen, versuchen wir uns weitestmöglich aus dem Weg zu gehen, was ist also dabei? Samir tat mir leid, der arme Junge. Musste seine Jugend an diese alten, gelifteten Hippen vergeuden … Was ist, Maresciallo, glauben Sie mir nicht? Oder fangen Sie an, mich auch zu verdächtigen?«
Santomauro wehrte ab und versuchte, ein weltmännisches Gesicht aufzusetzen, dabei war er zwischen Abscheu und Verblüffung hin und her gerissen.
Diese verflixte Geschichte umschlang ihn allmählich mit ihren Ranken wie ein fieses, wucherndes Unkraut, doch er wusste nicht, wo er anfangen sollte, sie auszumerzen. Warum Samir? Was hatte er getan? Was wusste er? Denn in einem war er sich sicher: dass die beiden Morde untrennbar miteinander verbunden waren.
Während er sich vom Tatort entfernte, versuchte der Maresciallo verzweifelt, den Gedanken wiederzufinden, der ihm gerade entfleucht war. Doch vergebens, er war für immer dahin.
Pater Lillo war etwas abseits stehen geblieben. Nun trat er an den Leichnam heran und kniete sich neben ihn in den Sand. Santomauro dachte, dass Samir höchstwahrscheinlich nicht katholisch gewesen war, dennoch war ein Gebet, gleich welcher Religion, bestimmt nicht verkehrt.
Mit niedergeschlagener Miene trat Cozzone neben ihn. »Maresciallo, wenn Sie den Bub vernehmen wollen, der die Leiche entdeckt hat …« Santomauro blickte sich um. Dort wartete ein pausbäckiger Junge mit Brille von ungefähr sieben oder acht Jahren und sah ihn ängstlich an. Etwas entfernt saß eine Gruppe von Kindern seines Alters auf dem Boden. Alle starrten ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Und was ist mit denen da?«
»Sie waren nicht dabei, das Kind hat allein gespielt, aber sie lassen sich einfach nicht vertreiben, Maresciallo, dabei wird es bald dunkel. Ich habe Licalzi losgeschickt, ihre Mütter zu benachrichtigen,sie müssten jeden Moment hier sein, um sie abzuholen.« Auf eine Geste des Gefreiten hin kam der Junge näher.
»Wie heißt du?«, fragte Santomauro.
»Marco«, erwiderte der Kleine und sah ihn furchtsam an.
Er hatte noch nie gut mit Kindern umgehen können. »Gut, Marco, bist du mit Mama und Papa hier in Urlaub?«
»Mit meiner Mama. Papa ist letzten Winter gestorben.«
»Okay.« Santomauro räusperte sich verlegen. Hinter den Brillengläsern sahen die Augen des Kindes riesig aus.
»Erzähl mir, was passiert ist.«
»Ja also, die anderen wollten mich nicht mitspielen lassen, da habe ich allein eine Sandburg gebaut. Ich kann das gut, ich dachte …«, er blickte auf seinen Fuß, der nervös im Sand herumkratzte, dann sah er wieder auf. »Und da hab ich ihn gefunden.«
Nun blickte er ihn an und wusste nicht, was er sagen sollte. Der Maresciallo strich ihm ungelenk über das Haar.
»Das hast du wirklich gut gemacht, dass du keine Angst hattest und nichts angerührt hast. Andere an deiner Stelle hätten alles durcheinandergebracht.«
»Ich gucke immer CSI und NCIS im Fernsehen«, erwiderte Marco schlicht.
»Und du hattest auch die Geistesgegenwart, uns anzurufen und in der Nähe zu bleiben, das hast du wirklich gut gemacht.«
»Mama will, dass ich es immer bei mir habe, für den Notfall.« Das Kind zog ein buntes Handy aus der Tasche seiner Shorts.
Santomauro dankte innerlich den überängstlichen Müttern. Zu seiner Zeit hätte er höchstens ein paar Münzen für ein Wassereis mit sich herumgetragen.
»Weißt du, was wir machen?«, schlug er vor und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sobald ich einen freien Moment habe, hole ich dich ab und zeige dir die Carabinieriwache von Pioppica Sopra. Hast du Lust? Wir machen einen kompletten Rundgang und du lernst meine Männer kennen. Von dir kann man sich wirklich eine Scheibe Mut abschneiden, anders als von manchen Memmen, die ich so kenne.«
Sie hatten sich dem auf dem Boden hockenden Grüppchen von Kindern genähert, die mit aufgerissenen Mündern und Augen
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