Eine Leiche zu Ferragosto
Gnarra hinter dem Rücken der Frau verzweifelt gestikulierte.
»Also, vor einigen Wochen ruft mich die arme Signora Mazzoleni an, die Tote. Ich gehe hin, sie ist in Tränen aufgelöst, die ganze Schminke völlig verschmiert, die Koffer gerade erst aus dem Wagen geladen, das Gesicht verquollen, eine einzige Katastrophe. Aber sie ist nun mal eine gute Kundin, also helfe ich ihr mit dem Gepäck, mache mich dann an ihre Haare. Eine einzige Katastrophe! Sie hatte eh kein besonders tolles Haar, und die Spitzen mussten dringend geschnitten werden, aber sie lässt sie sich immer von ihrem Pascal machen, in Neapel, also habe ich sie nur gelegt und ein bisschen getönt, die grauen Haare, viele hatte sie nicht, wissen Sie, aber da reichen ja schon wenige, um eine Frau alt aussehen zu lassen, dann Hände und Füße, die Nägel wollte sie ganz kurz, damit sie nicht dran rumknabberte, aber das Gesicht! Eine einzige Katastrophe, beim besten Willen. Sie hatte so viel geweint, dass sie ganz rot und aufgedunsen war, und beim Schminken fiel mir auf, dass sie ein blaues Auge hatte,schon was älter. Also habe ich sie so nebenbei zum Reden gebracht, Sie wissen ja, wie das ist mit uns Friseusen, die Damen entspannen sich, vertrauen uns ihren Kummer an. Der Mann der Signora war ein mieses Arschloch, das hatte sie schon öfter gesagt, aber dieses Mal schien es besonders schlimm zu sein. Es war wohl so, dass sie nach einer Zeit, in der alles gut lief, entdeckt hatte, dass er sich wieder eine Geliebte zugelegt hatte, und zwar eine, mit der er schon früher was hatte. Die arme Signora wollte nicht sagen, wer es war, aber was ich so höre, hält der Architekt sich Valentina Forlenza, super Haare, hat mich aber noch nie an sich rangelassen. Kann ich einen Kaffee haben?«
Die Bitte überrumpelte die beiden Männer, Gnarra fing sich als Erster und holte ihr eilig einen Kaffee vom Automaten im Flur; galant überreichte er ihn und wurde mit einem Lächeln und flatternden Lidern belohnt.
»Das tut gut. Also, alles nicht neu, ich vermute, das wussten Sie eh schon, nur dass es dieses Mal eben schlimmer war, die Signora sagte immer wieder, es sei vorbei, aus, sie wolle endgültig Schluss machen. Wichtig aber ist, dass an diesem Punkt ein unerwarteter Besuch kam.«
Santomauro fuhr in seinem Sessel hoch, Pedro lächelte selig, Kleopatra riss ihre runden Krötenaugen auf und legte eine Kunstpause ein, zufrieden mit dem erzielten Effekt.
»Der Besuch war Signora Capece Bosco, die Königin der Rocca, wie wir immer sagen«, und mit einer großzügigen Armbewegung schloss sie in dieses »wir« die beiden Carabinieri, die Wache und das gesamte Dorf mit ein. »Eine langjährige Kundin, großzügig, supertolle Haare, kaum Weiß, im Gegensatz zu mancher anderen. Kaum hat die Mazzoleni sie jedenfalls gesehen, wird sie ganz steif, sagt so was wie: ›Dass du dich überhaupt noch hierhertraust‹, oder etwas in der Art, und das Komische ist, dass sie eigentlich dickste Freundinnen sind. Regina entschuldigt sich so in der Art: ›Mach mir keine Vorwürfe, ich kann nichts dafür‹, und kurz darauf umarmen sie sich, und ich gehe hinaus, weil ich die Tönung vorbereiten muss, und gehe also ins Bad. Von dort kriegt man nicht so viel mit, aber etwas kann ich dochhören, nämlich dass sie über Geld reden. Elena sagt: ›Du weißt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, mir reicht soundso viel im Monat, einfach nur symbolisch.‹ Regina fragt: ›Und Pippo?‹, und die andere sagt: ›Vergiss das Arschloch, ich entscheide hier, und du weißt, dass ich dich mag.‹ Da sagt Regina: ›Danke‹, und die andere darauf: ›Nichts zu danken, wir sind doch Freundinnen, oder?‹ Und dann geht die Capece Bosco wieder, mit besserer Laune als vorher, und Elena kriegt ihre Tönung, und wie wir so reden, lässt sie durchblicken, dass es um richtig dicke Schulden geht, also so richtig dicke, und sie sagt lachend: ›Mit dem bisschen im Monat braucht sie zwei Leben, um alles abzustottern.‹ Und das ist die ganze Geschichte, ich dachte, es wäre meine Pflicht, Ihnen alles zu erzählen. Die Signora Capece Bosco ist ja nett, aber wenn’s ums Geld geht, na ja, ich habe Ihnen alles erzählt, nun sehen Sie selbst.«
Sie stand würdevoll auf, und Santomauro begleitete sie nach draußen. Als er zurückkam, umspielte ein Lächeln seine Lippen.
»Also? Was hältst du davon? Ein Motiv haben wir nun.«
»Wie kommt es, dass du nicht herausgefunden hattest, wer der Gläubiger der Signora
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