Eine Leiche zu Ferragosto
ins Jahr dreizehnhundert zurück, als man ein Verteidigungsbollwerk gegen die Angriffe der Sarazenen brauchte. Ich habe meine Abschlussarbeit darüber geschrieben. Regina ließ mich damals fast den ganzen Winter über bei sich wohnen.«
»Komisch, ich hätte gedacht, dass sie eifersüchtig über ihr Haus wacht«, überlegte Santomauro.
»Das kann man so sagen, für die Rocca würde sie töten«, lächelte der Mann. »Aber wir waren befreundet, und im darauffolgenden Sommer heiratete ich Elena. Das war der schönste Winter meines Lebens«, schloss er mit leiser Stimme, und Santomauro fragte nicht, ob wegen Regina, der Rocca oder seiner Verlobten.
Bei seiner Rückkehr ins Büro glaubte er, ein Déjà-vu zu haben. Gnarra rannte ihm in höchster Aufregung entgegen und riss die Wagentür auf.
»Wir sind so weit! Ich schwör’s dir, wir sind so weit! Ich habe eine Zeugin!«
Santomauro hob den Blick gen Himmel. Noch so eine Amavila Ciccuto war der letzte Tiefschlag, den er im Moment gebrauchen konnte.
Der Freund lotste ihn in sein Büro. Dort saß eine Person vor der Tür, von der der Maresciallo nur einen sehr flüchtigen Blick erhaschte, der ihm jedoch genügte, um sich weit weg zu wünschen.
»Jetzt geht die Bombe hoch, das schwöre ich dir! Eine Bombe! Mehr verrate ich nicht, sonst ist es keine Überraschung mehr.« Gnarra öffnete mit der Andeutung einer Verbeugung die Tür, und herein hinkte eine Signora um die fünfzig mit herausfordernder Miene.
»Das ist Barbarella Pilerci, Friseurin. Barbarè, setz dich doch und erzähl dem Maresciallo, was du mir erzählt hast.«
Während die Frau sich gehorsam niederließ, sah sie Santomauro genau ins Gesicht, als wolle sie sichergehen, ihn bei einer Gegenüberstellung wiederzuerkennen. Sie war alles andere als hübsch, ja sogar die hässlichste Frau, die dem Maresciallo je untergekommen war, zumindest soweit er sich erinnern konnte. Jedoch schien sie in glückseliger Unkenntnis ihrer Hässlichkeit zu leben, vielleicht hatte jemand sie sogar das genaue Gegenteil glauben gemacht, denn alles an ihr, von der Kleidung bis zum Make-up und der Art, sich zu bewegen, zu reden, zu gestikulieren und zu lächeln, schien die Botschaft geradezu herauszuschreien: Sieh mich an, bewundere mich, schau nur, wie schön ich bin. Sie hatte glänzendes, blauschwarzes Haar, sicher das Ergebnis ihrer Färbungen; bei der Frisur fiel dem Maresciallo nur »Kleopatra-Style« ein, der schwere Pony betonte ihre gezupften und mit dem Stift nachgezogenen Augenbrauen. Sie hatte eine Knubbelnase, flache, ziegelrote Wangenknochen, die schweren Augenlider wie von einem Frosch oder einer Kröte waren dick mit leuchtend grünem Lidschatten bemalt und verbargen den stechenden, kieselgrauen Blick. Als sie lächelte, entblößte sie nikotingelbe, engstehende Zähne, dann leckte sie sich über die orangefarbenen Lippen und schlug die Beine übereinander. Das kurze schwarze Kleid, enganliegend wie eine Wurstpelle, rutschte hoch und gab ein großzügiges Stück Celluliteschenkel frei. Santomauro wandte den Blick ab, während sie mit dem Fuß wippte, der in einer goldenen Riemchensandale mit auffälligem Keilabsatz steckte. Er fragte sich, ob dieses oder das andere das Hinkebein war, dann schämte er sich.
»Als Erstes, Maresciallo, will ich mal klarstellen: Auch wenn ich bei allen ein und aus gehe, bin ich noch lange keine Klatschbase.Haben wir uns da verstanden?«, setzte Barbarella mit aggressivem Tonfall an. Santomauro nickte matt und warf Gnarra, der etwas abseits saß und in seinen Schnurrbart grinste, unauffällig einen bösen Blick zu.
»Wenn das klar ist, dürfen Sie mich befragen, oder ich rede einfach selbst, wie Sie wollen.«
»Ja, dann erzählen Sie doch mal, Signora Pilerci.«
»Signorina, bitte schön. Also, ich komme ja viel herum bei meiner Arbeit, die Damen rufen mich an, und die Stammkundschaft hat sowieso feste Termine. Montagmorgen Haare, Hände und Füße bei der einen, Montagmittag Haare, Hände und Füße bei einer anderen, Montagnachmittag Haare, Hände und Füße bei einer dritten; Dienstagmorgen Haare, Hände und Füße …«
»Jaja, ist klar, drei Termine am Tag, und weiter?«
»Hören Sie, Maresciallo, wenn Sie mich nicht auf meine Art erzählen lassen, kann ich auch wieder gehen, und das war’s dann«, meinte Kleopatra schnippisch, löste ihre Beine, um sie aufgebracht andersherum übereinanderzuschlagen. Santomauro starrte auf den entlarvend höheren Absatz, während
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