Eine letzte Breitseite
Marine-Infanteristen auch nur einen Blick zu schenken.
In der Kajüte drehte er sich um und sah Herrick fest ins Gesicht.
»Die
Harebel
l
hat Depeschen von Gibraltar gebracht.« Suchend sah er sich in der Kajüte um. »Ein Glas Wein wäre wünschenswert.«
»Dann haben Sie also keine Nachricht vom Kommodore?« fragte Herrick.
Farquhar starrte ihn an. »Habe ich
davo
n
etwas gesagt? Wirklich, Thomas, Sie sind ein furchtbarer Dickschädel!«
»Ich dachte, die
Harebel
l
hätte vielleicht etwas gesichtet…«
»Kommander Inch hat wichtigere Nachrichten gebracht.« Herricks Unterbrechung schien ihn zu irritieren. »Admiral St. Vincent ist vollkommen im Bilde. Anscheinend haben ihn die schweren Geschütze, die wir erobert haben, überzeugt. Er hat Vize-Admiral Sir Horatio Nelson eine Flotte unterstellt, die groß genug ist, um wieder im Mittelmeer präsent zu sein und die Franzosen hinauszuwerfen,
ein
für
allemal.«.
Herrick blickte zur Seite. Das war natürlich eine gute Nachricht oder sollte es wenigstens sein. Bolitho hatte die Voraussetzungen für diesen Plan geschaffen. Aber jetzt, da seine Ideen sehr schnell Wirklichkeit wurden, war er nicht da und hatte nichts von seiner Mühe.
»Ich habe meine Depeschen für den Admiral geschrieben«, sagte Farquhar kalt. »Die
Harebel
l
geht wieder in See, sobald sie Trinkwasser übernommen hat.«
Erstaunt blickte Herrick ihn an. »Aber Sie werden doch die Schaluppe vorher nach Malta schicken?«
»Da sind Sie im Irrtum.«
»Aber…«
Farquhar fuhr ihm über den Mund. »Als Sie Flaggkapitän waren, hatten Sie Gelegenheit, Ihre humanen Ideale in die Tat umzusetzen. Jetzt ist es zu spät. Also machen Sie mir keinen Vorwurf, Captain. Wenn jemand den Kommodore im Stich gelassen hat, dann waren
Si
e
das!«
Herrick starrte zu Boden, auf die Schottwand, und sah nichts. Was Farquhar gesagt hatte, war richtig. Alles.
Gelassen fuhr Farquhar fort: »Das Geschwader bleibt hier, bis wir neue Order bekommen. Ich habe Mr. Manning davon überzeugen können, daß weitere ›Reparaturen‹ unumgänglich sind.« Herrick hörte die Worte, aber es dauerte Sekunden, bis er verstand, was sie bedeuteten.
»Aber Sie dürfen doch nicht alles, was der Kommodore herausgefunden hat, einfach ignorieren. Die Prise, die Informationen. Das alles deutet doch auf Korfu!« Herrick hörte selbst, wie flehend seine Stimme klang, aber es war ihm gleich. »Sie können doch nicht einfach hierbleiben und gar nichts tun!«
Farquhar zuckte die Achseln. »Gerüchte. Ich kann es mir nicht leisten, das Geschwader in alle Himmelsrichtungen zu verstreuen. Sobald die ersten Verstärkungen eintreffen, beabsichtige ich – «
Angewidert starrte Herrick ihn an. »Sie zu begrüßen, nicht wahr? Persönlich bei Nelson vorzusprechen – das wollen Sie doch, ja?«
Farquhar runzelte die Stirn. »Treiben Sie es nicht zu weit! Ich bin hergekommen, weil ich Ihnen die
Lysander
zurückgeben will.« Herrick sah sich in der schönen Kajüte um. Ja, die paßte besser zu einem Flaggschiff als die der
Lysande
r
.
Farquhar sprach weiter: »Die
Harebel
l
hat noch andere, weniger weltbewegende Nachrichten mitgebracht. Zwei Tage, nachdem ich England verließ, ist mein Vater, Sir Edward, gestorben.«
Herrick konnte ihn nur anstarren. Langsam wurde sein Kopf klarer, der Schmerz stärker. Jetzt hatte Farquhar alles, was er brauchte. Von Trauer, von dem Bewußtsein eines Verlustes, war ihm nicht das Geringste anzumerken. Endlich hatte er seinen Adelstitel, die Landgüter, die damit verbunden waren. Und wenn Nelson ins Mittelmeer kam, würde er einen neuen Kommodore für das Geschwader ernennen: Sir Charles Farquhar.
Heiser vor Erregung sagte Herrick: »Haben Sie Captain Probyn schon informiert?«
»Alles zu seiner Zeit.« Farquhar schien weit weg zu sein; seine Augen waren jenseits von Sizilien. »Probyn benimmt sich, als sei Dummheit eine Tugend. Sie müßten das doch wissen.« Er schritt zum Heckfenster. »Ich habe meinen Steward angewiesen, meine Sachen noch vor Sonnenaufgang herüberzuschaffen. Sobald Sie meine schriftliche Order bekommen, können Sie auf die
Lysander
umziehen. Das freut Sie doch sicherlich.«
»Mir ist im Augenblick nicht sehr nach Freuen zumute,
Sir
Charles.« Er wartete auf eine Reaktion; aber Farquhar hatte sich schon bei Empfang der Nachricht ganz selbstverständlich auf seinen Titel eingestellt. Er wandte sich ab, damit Farquhar seine plötzlich aufsteigende Erregung nicht sehen sollte. »Ich
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