Eine letzte Breitseite
nicht ging, waren ihm ganz gleichgültig. Und doch zollten ihm manche, und ganz besonders Outhwaite, bereitwillig Anerkennung und Respekt. »Für Dummköpfe hat er kein Verständnis, wissen Sie«, hatte der Leutnant gesagt und ihn dabei mit seinen Froschaugen neugierig angesehen; »und bei Widersetzlichkeit haut er verdammt hart dazwischen.«
»Schiff rundet die Landspitze«, rief der Offizier der Wache unvermittelt. Und als er Herrick sah, befahl er scharf: »Schreiben Sie den Ausguck auf, weil er es nicht f rüher gemeldet hat!«
Herrick griff sich ein Glas und rannte an die Netze. Ein Weilchen noch ritten die Segel des Unbekannten leblos über dem driftenden Dunststreifen; dann kamen Bugspriet und Galion heraus – Herrick erkannte die Schaluppe
Harebell
.
Er schlug sich mit der Faust in die Handfläche. Die Augen wässerten ihm vor Anstrengung. Endlich! Francis Inch, ihr Kommandant, würde für Bolitho alles tun. Und seine kleine Schaluppe eignete sich noch besser zum Suchen als die Fregatte.
»Ah, Sir, ich sehe, Sie haben sie gesichtet.« Outhwaite, den Hut flott über einem Auge, trat zu ihm an die Reling.
Komischer Vogel, dachte Herrick. Sein mattbraunes, im Nacken zusammengebundenes Haar reichte ihm bis zum Gurt. Die meisten Seeoffiziere trugen das Haar kürzer, nach der neuen Mode in der Armee; Outhwaite jedoch wollte anscheinend beim Alten bleiben.
»Die Harebell.«.
Herrick bemerkte, wie es an Bord der
Lysande
r
auf einmal lebendig wurde. Signale stiegen auf und wehten träge an der Rah. Farquhar würde wissen wollen, was andernorts geschah, und zwar so schnell, wie es Inchs Gigbesatzung nur schaffen konnte.
»Die
Harebel
l
hat Anker geworfen, Sir.« Outhwaite schien allerdings nur milde interessiert zu sein. »Sie ist so schnell wieder da, daß sie nicht in England gewesen sein kann. Da werden wir also nicht erfahren, wie es zu Hause steht.«
Doch Herrick war es ganz egal, wie es in England stand. »Ich gehe nach unten, Mr. Outhwaite. Melden Sie mir
sofort
,
wenn die
Lysander
nach den Kommandanten signalisiert.«
»Aye, Sir.« Lächelnd tippte Outhwaite an den Hut. Er schätzte Captain Herrick durchaus. Ungefähr so, wie sein Vater einen guten Wildhüter oder Reitknecht schätzte.
Verläßlich
,
abe
r
ei
n
bißchen
wunderlich
.
Wie er sich zum Beispiel so offensichtlich um das Verschwinden des Kommodore Sorgen machte! Die beiden mußten ja ganz unvorstellbare Gefahren und Abenteuer miteinander bestanden haben, daß eine so starke Bindung zwischen ihnen bestand. Eine Bindung, die sogar Bolithos Entscheidung über den Kommandowechsel nicht hatte zerstören können.
Outhwaite sah zu, wie das Boot, in dem Inchs goldbetreßter Hut blinkte, von der
Harebel
l
ablegte und zum Flaggschiff pullte. Herrick ist da ganz anders als Farquhar, dachte er. Der betrachtet den Ausfall eines Vorgesetzten als Chance für sein eigenes Fortkommen. Und das ist auch ganz richtig so, fand Outhwaite.
Doch der Nachmittag verstrich, Herrick saß in Farquhars schön eingerichteter Kajüte oder rannte ruhelos herum, und kein Signal kam, nichts verlautete davon, was die
Harebel
l
mitgebracht hatte.
Mehr als einmal hatte er die Schaluppe von seiner Galerie aus im Teleskop gehabt, hatte die großen Streifen nackten Holzes am Rumpf gesehen, wo die See die Farbe weggefressen hatte, und die Flicken in den lose aufgegeiten Segeln, denen man ansah, daß Inch es sehr eilig mit seinen Depeschen gehabt hatte.
Ein Stampfen oben am Skylight. Er sah hoch.
Zu
r
Höll
e
mi
t
d
i
e
se
m
Farquhar
!
Der dachte gar nicht daran, die Geschwaderkommandanten zu informieren!
Scharfes Klopfen an der Tür – ein Midshipman sah aufgeregt herein. »Entschuldigung, Sir, Mr. Outhwaite läßt bestellen –«
Herrick sprang auf. »Ach nein? Geruht das Flaggschiff endlich, nach mir zu signalisieren?« Er versuchte gar nicht erst, seinen Sarkasmus zu verbergen.
Der Midshipman starrte ihn mißtrauisch an. »No, Sir. Captain Farquhar kommt zu
un
s
an Bord.«
Herrick griff nach seinem Hut. »Ich komme an Deck.«
Er versuchte sich vorzustellen, was los war. Auf jeden Fall sah sich Farquhar endlich veranlaßt, schnell zu handeln.
Später, als die Pfeifen trillerten und die Musketen krachend präsentiert wurden, suchte Herrick in Farquhars gutgeschnittenen Zügen nach einem Hinweis. Aber da war nichts, allenfalls ein leichtes Lächeln um die Mundwinkel.
»Kajüte!« sagte er kurz und schritt Herrick voran, ohne den angetretenen
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