Eine letzte Breitseite
brachte sie zum Achterdeck, wo ihr Bruder mit Major Leroux sprach.
»Boot ist klar, Sir«, rief Pascoe.
»Bringen Sie die Dame zur
Harebell
,
Mr. Pascoe. Mein Kompliment an Commander Inch, und er soll gut auf sie aufpassen.«
Sie berührte seinen Arm. »Inch? Noch ein Freund?«
»Aye.« Behutsam führte er sie um die Geschützlafetten herum.
»Sie werden in guten Händen sein.«
Sie drückte seine Hand leicht mit ihrem Ellbogen. »Nicht in besseren als jetzt, denke ich.«
Wieder erreichte der Alptraum einen Höhepunkt. Springende, dunkelrote Muster wie Flammen, festere Formen dazwischen, menschliche und andere, unkenntliche und daher noch furchterregendere.
Bolitho wollte aufspringen, schreien, der saugende Umklammerung entfliehen. Einmal sah er vor der Feuersglut eine Frauengestalt, weiß wie der Tod, die ihre Arme winkend nach ihm ausstreckte und mit ihren Lippen lautlose Worte formte. Er versuchte, zu ihr zu gelangen, aber er hatte keine Beine mehr; ein Schiffsarzt war auf einmal da und lachte ihn aus.
Aber dann verschwand alles. Nur Stille blieb und eine Dunkelheit, die nicht wirklich sein konnte; er krampfte seine Muskeln in Erwartung eines neuen furchtbaren Alptraumes zusammen.
Da merkte er, daß er seine Beine doch noch fühlen konnte und den Schweiß, der ihm über Hals und Schenkel rann. Langsam und angstvoll wie ein Mann, der von den Toten zurückkehrt, suchte er seine Gedanken zu sammeln, die Wirklichkeit von dem zu trennen, was er durchgemacht hatte, seit… Er stützte sich mühsam auf die Ellbogen und starrte in die Finsternis.
Seit
wann
?
Seine Sinne gehorchten ihm wieder; er empfand eine träge Bewegung unter sich, das Schwanken eines Schiffes in Fahrt. Blöcke und Stage quietschten, und etwas Neues fiel ihn an: Angst. Er erinnerte sich an den Rückfall des Fiebers, die Anzeichen, die er kannte und nicht hatte wahrhaben wollen. Alldays Gesicht über ihm, voller Sorgenfalten, Hände, die ihn trugen, die umhüllende Dunkelheit. Er tastete nach seinen Augen und holte erschreckt Luft, als er sie fühlte. War er blind? Völlige Schlaffheit überkam ihn; erschöpft fiel er in die Koje zurück.
Liebe
r
tot
!
Wäre er doch immer tiefer in die Abgründe des Fiebers gesunken, bis alles zu Ende war! Er dachte an die nackte Frau: Catherine Pareja. Sie hatte ihm wieder helfen wollen wie damals, als er beinahe gestorben wäre. Keuchend kämpfte er sich in sitzende Stellung hoch. Da drang ein fadendünner Lichtstrahl ihm gegenüber durch die Dunkelheit, verbreiterte sich – und dann erschien ein Gesicht, von einer Laterne angeleuchtet, aber unkenntlich. Dort im Gang hinter der geöffneten Tür.
Das Gesicht verschwand, er hörte einen Ruf: »Er ist wach! Er ist wieder zu sich gekommen!«
Die nächsten paar Minuten waren in gewisser Hinsicht die schlimmsten. Allday stützte ihn gegen die Schiffsbewegungen ab. Leutnant Veitch sah auf ihn herunter und grinste breiter denn je.
Midshipman Breens mohrrübenblonder Schöpf tanzte auf und ab; noch andere drängten sich in die enge Kajüte und schnatterten in allerlei fremden Zungen.
»Macht, daß ihr rauskommt, Jungs!« befahl Veitch.
Allday drückte Bolitho sanft auf die Koje zurück und sagte: »Schön, daß Sie wieder bei sich sind, Sir. Mein Gott, Ihnen ging’s vielleicht elend!«
Bolitho versuchte zu sprechen, aber seine Zunge kam ihm doppelt so groß vor wie sonst. Er konnte nur krächzen. »W… wie lange?« Er sah Veitch und Allday rasche Blicke wechseln. »M… muß es wissen!«
»Ziemlich genau drei Wochen, Sir«, sagte Veitch behutsam; »da sind Sie…«
Bolitho wollte Allday beiseite stoßen, aber er war hilflos. Kein Wunder, daß er sich so schwach und ausgehöhlt fühlte: drei Wochen!
»Was war los?« flüsterte er.
Veitch berichtete. »Als wir Si e in La Valetta wieder an Bord hatten, dachten wir, es wäre besser, noch etwas vor Anker zu bleiben.
Gefahr von seiten der Malteser bestand anscheinend nicht; und ich hatte Bedenken, mit Ihnen in diesem Zustand auf hoher See zu sein.«
Allday stand langsam auf, den Kopf gebeugt, um nicht an den Decksbalken zu stoßen. »So schlimm war’s bei Ihnen noch nie, Sir.« Er mußte ganz erschöpft sein. »Wir wußten überhaupt nicht mehr, was wir tun sollten.«
Bolitho blickte von einem zum anderen; und ein Teil seiner Angst verwandelte sich in Wärme. Drei Wochen lang, während er hilflos in den Banden des Fiebers lag, hatten sie sich durchgeschlagen, so gut sie konnten. Hatten ihn gepflegt,
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