Eine letzte Breitseite
ganzen Laib aufgegessen und dazu nach Farquhars Schätzung sieben Becher Kaffee getrunken.
Jetzt hob Bolitho den Kopf und sah Farquhar forschend an. »Sie wollten also hierbleiben, ja? Und das hier –«, er tippte auf die Papiere –, »bedeutet Ihnen gar nichts?«
Gelassen erwiderte Farquhar seinen Blick. »Wenn meine Ei nschätzung der Lage von der Ihren abwich, Sir, so…«
Mit blitzenden Augen sprang Bolitho auf. »Halten Sie mir keine Reden,
Captain
Farquhar! Sie haben diese Papiere gelesen, die Feststellungen in dem Bericht über die von uns gekaperte Artillerie, und trotzdem haben Sie
nicht
s
daraus geschlossen!« Er bückte sich, nahm zwei Blätter auf und warf sie mit wütendem Schwung auf den Tisch. »Lesen Sie das! Die Geschütze sind Fünfundvierzigpfünder! Und unsere Armee hat eines davon ausprobiert, obwohl sie vermutlich auch so Bescheid wußten.« Im Takt zu seinen Worten klopfte er mit dem Finger auf das Papier. »So eine Kanone schießt eine Fünfundvierzig-Pfund-Kugel fünftausend Yards weit. Wenn Sie
da
s
für bedeutungslos halten, müssen Sie ein Narr sein! Wie weit schießt das schwerste Schiffsgeschütz?« Zornig trat er ans Fenster. »Ich werde Ihr Gedächtnis auffrischen: ein Zweiunddreißigpfünder besitzt eine Reichweite von dreitausend Yards. Wenn man Glück hat und einen guten Stückführer, heißt das.«
Ärgerlich erwiderte Farquhar: »Ich sehe nicht, was das mit uns zu tun hat, Sir.«
»Nein, das merke ich.« Er fuhr herum und sah ihm ins Gesicht.
»Das französische Volk wartet auf einen großen Sieg. Nach dieser blutigen Revolution können sie so etwas verlangen. Und wenn die Franzosen Ägypten erobern und noch weiter darüber hinaus wollen, dann muß zunächst ihre Flotte die Meere beherrschen. Unter dem Schutz solch schwerer Kanonen können die Franzosen eine ganze Armada, mehrere sogar, verankern und sicher sein, daß jedes englische Schiff zu Kleinholz geschossen wird, ehe es auch nur herankommt!«
Farquhar biß sich auf die Lippen. »Küstenbatterien!«
»Na endlich, Captain«, sagte Bolitho kalt. »Jetzt merken anscheinend auch Sie, was gespielt wird.«
Ein Schlag an die Tür, der Posten brüllte: »Offizier der Wache, Sir!«
»Soll eintreten«, sagte Farquhar, vermutlich heilfroh über die Unterbrechung.
Der Leutnant blieb an der Tür stehen. »Wir haben soeben die
Buzzard
gesichtet, Sir. Im Norden.«
»Danke, Mr. Guthrie.«
Bolitho setzte sich wieder hin und rieb sich die Augen. »Rufen Sie meinen Schreiber. Ich will eine Depesche diktieren, die Inch nach Gibraltar mitnehmen soll.« Er konnte seine Wut nicht verbergen. »Sie wird etwas anders lauten als Ihre.«
Farquhars Gesicht blieb ausdruckslos. »Ich werde Ihnen
meinen
Schreiber schicken, Sir. Ihrer ist noch auf der
Lysander.«
»Gut, er genügt mir fürs erste.« Er ging zur Tür. »Wenn ich mein Flaggschiff wiederhabe, dann habe ich auch meinen Schreiber.« Farquhar starrte ihm nach. »Aber ich habe doch Ihren Stander hier auf der
Osiri
s
hissen lassen, Sir!«
Bolitho lächelte grimmig. »Habe ich gesehen – Ihren oder me inen. Waren Sie denn so sicher, daß ich tot war?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er durch die Tür.
Auf der Kampanje fand er Mrs. Boswell im Gespräch mit Pascoe. Das Wiedersehen mit seinem Neffen hatte ihm klargemacht, wie verzweifelt nötig es war, daß er Herrick fand, wie sehr sie einander brauchten.
Wenn er zu Herrick allzu verständnisvoll gewesen war, so war er selbst daran schuld. Mehr noch als Herrick selbst. Er hatte bei Farquhar etwas anderes gesucht; Herricks wirklicher Wert dagegen lag so offen zutage, daß er ihn nicht gesehen hatte.
Mrs. Boswell wandte sich um und lächelte schüchtern. »Ich bin mit dem Boot herübergekommen, um adieu zu sagen, Captain«, sagte sie und hängte sich bei Pascoe ein. »
Wi
r
beide haben uns sehr gut verstanden.«
»Das glaube ich gern«, nickte Bolitho. Er durchschaute ihre falsche Munterkeit und fuhr fort: »Sobald ich mit dem Kommandanten der
Buzzar
d
gesprochen habe, lasse ich das Geschwader, oder was noch davon übrig ist, Anker lichten.«
Sie verstand, was er damit sagen wollte, und ging mit ihm zur Kampanjeleiter. »Ich gehe jetzt. Es freut mich, daß Sie sich wieder erholt haben.«
Ein Boot wartete an den Rüsten, und Bolitho sah den froschähnlichen Ersten der
Osiri
s
ungeduldig an der Fallreepspforte stehen.
»Ich möchte Ihnen einen Rat geben, Mrs. Boswell.« Er führte sie über das sonnenwarme Deck,
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