Eine Liebe fürs Leben
den Raum schweifen. Blasse Farben. Nicht das, was er von einer Frau erwartet hatte, die zutiefst leidenschaftlich war. Immerhin war es natürlich möglich, dass sie diese Leidenschaft zu unterdrücken suchte. Auf einer antiken Kommode stand ein kleiner Flachbildfernseher und nebendran …
Riccardo stand auf und schlenderte zu der Kommode hinüber. Dort beugte er sich zu den gerahmten Fotos hinunter. Sie zeigten alle dieselbe Person. Er griff nach einem und richtete sich wieder auf.
„Wer ist das? Deine Nichte aus Australien?“
Charlottes Kehle war wie zugeschnürt, und sie brachte keinen Ton heraus. Ihre Beine fühlten sich schwer wie Blei an, sodass sie nicht mal aufstehen und ihm das Foto entreißen konnte.
Das musste sie auch gar nicht, denn noch während seine Frage im Raum stand, klingelte es an der Haustür.
„Willst du nicht aufmachen?“ Er stellte das Foto wieder an seinen Platz, blieb aber selbst, wo er war. „Es könnte jemand Wichtiges sein.“
Mit zitternden Knien stand Charlotte auf und schaute ihn an.
„Ja. Ja, ich bin sicher, dass es so ist …“
5. KAPITEL
Gina hatte mit Amy und ihrer Mum den Kiosk an der Ecke besucht und war nun die stolze Besitzerin einer riesigen Tüte voller zahnschädigender Süßigkeiten. Obwohl Charlotte streng darauf achtete, dass sich ihre Tochter gesund ernährte, sparte die Kleine ihr Taschengeld stets für die wöchentliche Zuckerzufuhr. Zum ersten Mal runzelte Charlotte jedoch nicht die Stirn, sie schüttelte auch nicht den Kopf und sagte Gina nicht, dass sie die Süßigkeiten keinesfalls alle auf einmal essen dürfe. Nein, genau genommen öffnete sie einfach nur die Tür, stand da und starrte ihre wunderschöne Tochter an, die dem Mann im Wohnzimmer so frappierend ähnlich sah.
„Geht es dir nicht gut, Mum?“ Gina schaute sie besorgt an. „Du kannst was von meinen Süßigkeiten haben, wenn du willst“, bot sie großzügig an. „Aber nicht die orangefarbenen.“
„Komm rein, Baby.“
Gina warf ihrer Mutter einen ängstlichen Blick zu. Das war nicht die übliche Reaktion, wenn sie Süßigkeiten gekauft hatte. Rasch stopfte sie sich ein Fruchtbonbon in den Mund und bekam es noch mehr mit der Angst zu tun, als auch das keine strenge Ermahnung zur Folge hatte. „Ich verspreche dir, dass ich mein Zimmer sofort aufräume“, verkündete sie.
„Da ist jemand, den du treffen solltest, Gina.“
„Ist es Mr. Forbes?“ Ihre großen braunen Augen wirkten plötzlich fast schwarz. „Es war nicht meine Schuld, dass ich die Hausaufgaben vergessen habe!“
„Du hast deine Hausaufgaben vergessen?“ Charlotte war für einen Moment abgelenkt, doch dann erinnerte sie sich sofort wieder an Riccardo und lächelte ihre Tochter beruhigend an. „Nein, es ist nicht Mr. Forbes.“ Ganz sanft zog sie Gina den Mantel und die Winterstiefel aus.
„Okay?“, fragte Charlotte, woraufhin Gina nickte und sich noch ein Gummibärchen in den Mund steckte. Auch damit kam sie diesmal überraschenderweise durch.
Charlotte hielt Gina an der Hand, während sie den Flur hinuntergingen und das Wohnzimmer betraten, in dem Riccardo mit verschränkten Armen vor dem Fenster stand. Beide blieben sie an der Tür stehen, doch als die Kleine ihre Hand erneut in die Süßigkeitentüte steckte, nahm Charlotte sie ihr ab und legte sie auf einen kleinen Seitentisch.
„Riccardo, ich möchte dir Gina vorstellen.“
Das kleine Mädchen stand stocksteif neben seiner Mutter und starrte den großen dunkelhaarigen Mann an, der es musterte.
„Das ist ein hübscher Name“, sagte Riccardo, dem in diesem Moment nichts Besseres einfiel. Er verfügte über keinerlei Erfahrung mit Kindern. Er war selbst ein Einzelkind und besaß weder Nichten noch Neffen. „Wie alt bist du?“, fragte er als Nächstes, da ihn das Schweigen unangenehm berührte, das seiner Bemerkung gefolgt war.
„Gina ist acht“, erklärte Charlotte rasch und wartete, ob der Groschen fallen würde. Natürlich nicht. Für ihn gab es keinen Grund anzunehmen, dass Gina ihre Tochter war. Und da ihm diese entscheidende Information fehlte, hielt er die Kleine wahrscheinlich einfach nur für ein Nachbarskind.
Sie spürte, wie die Anspannung sie beinahe um den Verstand brachte. Nervös leckte sie sich über die Lippen und umklammerte Ginas Hand noch fester. Riccardo wirkte allmählich leicht gelangweilt. Fragte er sich denn gar nicht, was ein achtjähriges Mädchen in ihrem Haus machte?
„Ich bin in der vierten Klasse der St.
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