Eine Liebe fürs Leben
Glas leerte und sich dann ebenfalls erhob. Der Mann stand eindeutig unter ihrem Pantoffel – entweder das, oder er war so langweilig, dass er keine eigene Meinung besaß. Die dritte Möglichkeit bestand darin, dass er der perfekte Seelenverwandte in einer leidenschaftslosen Beziehung war.
Riccardo rutschte leicht auf seinem Stuhl herum, sodass er sie beide ansehen konnte. Plötzlich erregte ihn der Gedanke, dass er ihre Leidenschaft viel stärker anfachte als ihr Verlobter. Er spürte die verbotene Anziehung, und für ein paar atemlose Sekunden, in denen er sie ansah, gab es keinen Club um sie herum, keinen Verlobten, keine Lucinda. Er war wieder in Italien, sein Körper brannte, und in seinem Kopf herrschte nur der Gedanke, wann und wo er erneut mit ihr schlafen würde.
„Ich bleibe in Verbindung“, sagte er.
„Was?“, versetzte Charlotte scharf.
„Wegen des Hauses. Ich bleibe in Verbindung.“
„Ach so, du hast ja Aubreys Nummer.“ Sie wandte sich ab und ließ eine neugierige Lucinda zurück, die sich plötzlich sehr für das Gespräch in puncto Haus interessierte.
„Es gibt nichts, was er mehr hasst“, verkündete Charlotte triumphierend, sobald sie und Ben auf den Rücksitz des nächstbesten Taxis geklettert waren. „Eine Frau, die von einem Haus und Familie und Hund träumt.“ Sie war so mit ihrem bittersüßen Sieg beschäftigt, dass ihr Bens nachdenklicher Gesichtsausdruck völlig entging.
„Vor allem eine Frau, die nicht dem Bild seiner perfekten italienischen Signorina entspricht. Die arme Lucinda. Da kann sie noch so schön sein – es wird nicht ausreichen, um Zutritt zu seiner Welt zu erlangen.“
Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis das Taxi vor ihrer Haustür hielt, und erst da merkte sie, dass sie Ben zu Tode langweilte. Doch der Babysitter wartete drinnen, und so blieb keine Zeit für eine ausführliche Entschuldigung. Es reichte gerade mal für einen dankbaren Kuss auf die Wange. Ben hatte sie wirklich aus einer schrecklichen Situation gerettet.
Es war Samstagmorgen. Charlotte hatte Gina gerade zum Spielen bei einer Schulfreundin gebracht und dachte sich nichts dabei, als es an der Tür klingelte. Sie wohnte in einem hübschen Reihenhaus in einer durchaus geschäftigen Straße, die jedoch täuschend friedlich und ruhig wirkte, weil jemand vor Jahren auf die Idee gekommen war, Bäume entlang des Bürgersteigs zu pflanzen.
Sie trug eine verwaschene Jogginghose, hatte die Haare zurückgebunden und hielt eine Flasche Möbelpolitur in der Hand, als sie die Tür öffnete und dann erstarrte.
„Du wirst mich gleich fragen, was ich hier tue, ich weiß.“ Riccardo schaute an ihr vorbei auf die weißen Wände mit den abstrakten Gemälden und den Pinienregalen, ehe er seine Augenmerk wieder auf ihr schockiertes Gesicht richtete. Sie war ganz bleich geworden, was ihre Augen noch größer als sonst wirken ließ.
„Geh weg“, stammelte Charlotte zitternd. „Du kannst nicht einfach so … vor meinem Haus auftauchen! Wenn es um das Landgut geht, dann musst du mit Aubrey reden. Woher hast du überhaupt meine Adresse? Hat Aubrey sie dir gegeben?“
„Nein. Willst du mich nicht hineinbitten?“
Charlotte überflog rasch ihre Möglichkeiten. Sie konnte ihn zwingen zu gehen, wenn es ihr irgendwie gelingen sollte, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, was sicherlich nicht leicht sein würde. Außerdem würde er in diesem Fall bestimmt zurückkehren. Da war sie sicher. Sie konnte ihn weiter auf der Türschwelle stehen lassen und riskieren, dass Gina unerwartet auftauchte. Oder sie bat ihn herein, hörte sich ruhig an, was er zu sagen hatte, und fertigte ihn dann freundlich, aber bestimmt ab. Keine Frage – Option Nummer drei. Sie öffnete die Tür und trat einen Schritt zurück, damit er an ihr vorbeigehen konnte.
„Wie hast du herausgefunden, wo ich wohne?“
„Ich habe meine Mittel und Wege. Schöne Wohnung.“ Er steuerte mit weit ausgreifenden Schritten direkt auf die Küche zu, woraufhin sie ihm hastig den Weg versperrte. Der Kühlschrank war mit zahlreichen Kinderzeichnungen beklebt und mit Ginas Stundenplan. Mit anderen Worten: eine Gefahrenzone.
„Bitte geh doch ins Wohnzimmer, Riccardo. Ich habe allerdings nicht viel Zeit. Ich bin gerade … auf dem Sprung.“
„Mit einer Flasche Möbelpolitur in der Hand?“
Das hatte sie ganz vergessen. „Nachdem ich noch ein bisschen Staub gewischt und mich umgezogen habe. Ich erledige die Hausarbeit immer am
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