Eine Liebe in Den Highlands: Roman
einfach himmlisch. Ein paar Schlucke Wasser löschten
ihren Durst, stellten sie aber nicht so zufrieden, wie eine Tasse Tee es
vermocht hätte.
Alles ging gut, bis sie in eine Schneeverwehung trat,
die unter ihr nachgab. Ihr sackte der Fuß weg, immer tiefer und tiefer, und da
sie den Rest ihres Körpers nicht daran hindern konnte, dem Fuß zu folgen, fiel
sie mit dem Kopf voraus in ungefähr einen Meter hohen Schnee und rutschte dabei
mehrere Meter hinunter.
Benommen blieb sie ein paar Sekunden lang still
liegen, bevor sie sich wieder aufrappelte. Sie hatte es gerade geschafft, sich
irgendwie hinzusetzen, als sie laut aufschrie.
Eine Gestalt, dunkel und bedrohlich, war plötzlich vor
ihr aufgetaucht.
»Keine Panik. Ich bin es nur.«
Jenny schloss die Augen und kämpfte schweigend gegen
die Panik an. Es war Ross. Er wirkte ziemlich echt, aber hatte sie ihn
vielleicht im Geiste heraufbeschworen, einfach so, aus dem Schnee, weil er so
sehr ein Teil ihrer Gedanken war? Litt sie an der Bergkrankheit, oder war das
eine Art Delirium, in dem man Stimmen hörte und Gestalten sah, wo in
Wirklichkeit niemand existierte? Das Problem war, dass der Ross in ihren
Gedanken und Träumen ganz anders war als der aus Fleisch und Blut, mit dem sie
noch immer in Fehde lag.
Als sie die Augen aufschlug, stand er immer noch da.
Jenny kam sich unaussprechlich idiotisch vor; sie saß nicht nur in einer Schneeverwehung
an einem Berg, was kaum als würdevolle Position durchgehen konnte, sondern
hatte sich bei ihrer letzten Begegnung obendrein wie eine Wahnsinnige
aufgeführt. Vielleicht sollte sie versuchen, so zu tun, als wäre nichts
Unziemliches zwischen ihnen vorgefallen.
»Frohe Weihnachten«, rief sie. Es war das erste Mal,
das sie an diesem Tag sprach, und ihre Stimme klang mehr wie ein Krächzen.
»Selber frohe Weihnachten. Was machen Sie hier?«
Es hatte keinen Sinn. Sie konnte nicht so tun, als
wäre er nur ein flüchtiger Bekannter. Sie hatte ihn geliebt und gehasst, und
das mit solcher Inbrunst, dass sie sich einfach nicht normal benehmen konnte.
Jenny hatte keine andere Wahl, als ihn anzublaffen: »Falls es nicht
offensichtlich ist, was ich hier tue, werde ich es Ihnen nicht erklären! Ich
wollte nur einen Weihnachtsspaziergang unternehmen. Welche Ausrede haben Sie?«
»Ich bin Ihnen gefolgt. Ich habe Sie von der Straße
aus gesehen.«
»Sie können doch unmöglich erkannt haben, dass ich das
bin?«
»Ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendjemand
sonst so verrückt wäre, bei diesen Wetterbedingungen so weit hinaufzusteigen.«
»Ich bin nicht verrückt gewesen! Ich habe nur einen
Spaziergang gemacht! Das ist doch wohl erlaubt, oder?«
»Nicht ohne eine Wollmütze, nein.«
»Ich hasse Wollmützen. Sie kratzen.«
»Sie sollten trotzdem nicht ohne Mütze in den Bergen herumklettern.
Hier.« Er nahm seine eigene Kopfbedeckung ab, und sie setzte sie auf. Die Mütze
war warm, und weil sie aus Fleece war, kratzte sie überhaupt nicht.
»Jetzt klettern Sie aber ohne Mütze in den Bergen
rum.«
Er schüttelte den Kopf und schob eine Hand in die
Tasche seines Mantels. »Ich habe eine Ersatzmütze.«
Der Schnee drang langsam durch Jennys Kleidung. Sie
wollte sich aufrichten, vorzugsweise ohne Hilfe, war sich aber nicht sicher, ob
sie es schaffen würde. Ross spürte ihre Zwangslage und hielt ihr herrisch eine
Hand hin, die sie widerwillig ergriff.
»Vielen Dank«, sagte sie schroff und klopfte sich den
Schnee ab. »Jetzt gehe ich nach Hause.«
»Nein, das werden Sie nicht.«
»Werde ich doch. Man erwartet mich. Ich habe
versprochen, dass ich um diese Zeit zurück sein würde.« Er mochte zwar fast ein
Mitglied der Bergwacht sein, aber sie würde sich von ihm nicht vorschreiben
lassen, was sie zu tun hatte.
»Sehen Sie sich das Wetter an.«
Jenny gehorchte. Der einst strahlend schöne, klare
Himmel war plötzlich grau geworden. Dicke Schneewolken hatten sich vor die
Sonne geschoben, und der Wind war merklich stärker geworden. »Na schön, das
Wetter ist nicht mehr so gut wie heute Morgen, doch ich werde bis nach Haus
Dalmain nicht lange brauchen, wahrscheinlich werde ich die Hälfte des Weges
rutschen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, diese
Möglichkeit kommt nicht mehr in Betracht.«
»Was soll das heißen? Es dürfte wohl auch kaum in
Betracht kommen, hier zu bleiben!«
Er war so geduldig, dass es Jenny schier die Wände
hochtrieb. »Wir werden es jetzt nicht mehr gefahrlos bis nach unten
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