Eine Liebe in Paris
Make-up auf ihrem Gesicht Risse. So ein Leben als Saftschubse musste hart sein, dachte ich mir. Immerfreundlich bleiben und dann die trockene Luft in den Fliegern.
»Ja, weshalb?«
»Unser Flug ist überbucht. Und weil Sie allein reisen, habe ich Ihnen ein Upgrade in die erste Klasse gegeben. Ist das in Ordnung?«
Ich setzte meine Pokermiene auf und sagte todernst: »Ja, das ist in Ordnung.« Dann sandte ich Mogens eine triumphierende SMS.
Von jetzt an wollte ich nur noch erste Klasse fliegen, entschied ich, als ich meine Handtasche über meinem Kopf verstaut hatte und eine Stewardess sich mit einem Tablett in der Hand zu mir herunterbeugte.
»Darf ich Ihnen ein Glas Champagner anbieten?«
»Gerne«, sagte ich und nahm das vollste Glas, denn wenn ich es nicht nahm, dann tat es ein anderer. Als ich es an meine Lippen setzte, sah ich kurz auf und vergaß zu trinken.
Mein Blick begegnete den Augen des Mannes, der in der Sitzreihe neben mir am Fenster saß. Seine Augen waren dunkel wie Zartbitterschokolade und ihr Glanz erinnerte mich an das schimmernde Wasser unserer Badeseen, wenn wir in Sommernächten dort grillten und badeten. Wow! Er war vom Sommer noch braun gebrannt und seine schulterlangen, lockigen braunen Haare fielen auf ein lässiges blaues Hemd, das am Hals offen stand und das er über einer Jeans trug.
Mein Herzschlag stolperte bei seinem Anblick. War er vorhin am Gate auch schon da gewesen? Nein, sicher nicht. Schade, dass mein Skizzenblock in der Klappe über meinem Kopf verstaut war. Ich hätte gern eine rasche Zeichnung von ihm gemacht.
Er hatte mich bei der Wahl des Champagnerglases beobachtet und hob jetzt sein Glas, ehe er leise sagte: »
Santé
.«
Ich erwiderte seine Geste stumm und nippte mit gesenkten Lidern an dem Champagner, dessen Perlen mir in die Nase stiegen und sie wie bei einer Vorahnung kribbeln ließen.
Als ich wieder aufsah, lächelte er mir noch einmal zu. Zwei seiner Zähne liefen so spitz wie bei einem Wolf zu. Als er die Zeitschrift in seiner Hand aufschlug, war mir klar: Man kann auch als großes Mädchen noch an Märchen glauben.
Ich war schon mehrere Male geflogen, aber das Gefühl, so hoch über den Wolken zu schweben, hatte seinen Reiz noch nicht verloren. Ich wollte nie so betont gleichgültig wegschauen, wenn die Stewardess mir erklärte, wie ich mich im Notfall zu verhalten hatte, schwor ich mir, und ich wollte auch nie während des Fluges kein einziges Mal aus dem Fenster sehen, wie all die anderen in grauen Flanell gekleideten Geschäftsreisenden, die um mich herum saßen, es taten. Vor den grauen Anzügen leuchteten die roten
Converse All Star
des jungen Mannes in der Reihe neben mir wie ein Fliegenpilz auf dunklem Moos.
Ich sah wieder nach draußen und kniff geblendet die Augen zusammen. Oh, Mann – Wolken! Gab es auf der Welt etwas Einmaligeres? Wer sich das hat einfallen lassen, war gewiss kein schlechter Typ. Vor allen Dingen, wenn er in die Reihe neben mir solche Männer wie diesen setzte, obwohl der mich seit seinem gemurmelten »
Santé
« vor gut zwanzig Minuten nicht wieder angesehen hatte. Stattdessen blätterte er mit gerunzelter Stirn in einem Magazin.
Mit gerunzelter Stirn
war eigentlich übertrieben gesagt, denn er hatte nur dieeine Augenbraue kunstvoll hochgezogen, was seinem Gesicht einen konzentrierten und ernsten Ausdruck verlieh. Nicht dass ich hinübergeschaut hätte, um das festzustellen. Nein, nein. Aber gerade weil er mich jetzt vollständig ignorierte, wünschte ich mir, er möge mich immerzu ansehen und mich vielleicht fragen, wohin meine Reise denn gehe. Blöde Frage, rügte ich mich, denn schließlich saß ich hier in einem Flugzeug und stand nicht auf einer Kreuzung.
Ich fliege nach Paris, und Sie? Rom vielleicht, oder Hamburg?
Ich schaute weiter aus dem Fenster und versuchte dabei, meine Augenbraue ebenso gekonnt, wie er es tat, hochzuziehen. Als ich mich wieder umdrehte, trafen sich unsere Blicke, und vor Schreck rutschte mir die Augenbraue zurück an ihren angestammten Platz.
»Woran denken Sie, wenn Sie nach draußen sehen?«, fragte er mich mit einer überraschend tiefen Stimme.
Vous
, sagte er – Sie. Tatsächlich, er siezte mich, als wäre das die normalste Sache der Welt, obwohl ich doch offensichtlich noch ein Teenager und er nicht viel älter als ich war. Ein albernes, sehr un-sieziges Lachen stieg in meiner Kehle hoch, und ich räusperte mich rasch, um es zu unterdrücken. Er stützte den Ellenbogen auf die Lehne
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