Eine Liebe in Paris
Motor des Minis angelassen. Der Kies knirschte unter den sich durchdrehenden Reifen, als sie davonfuhr.
Camille schniefte, ihr Vater küsste ihr die Stirn und zog sie an sich. Doch ehe ich erleichtert aufatmen konnte, sahCamille mich kalt an. »Das ist auch deine Schuld. Hättest du mir nicht nachspioniert, dann hätte Madame Sarakowa vielleicht nie bei Mama angerufen. Du hast sie dazu angestiftet.«
»Unsinn«, begann ich schwach. »Ich wollte dir nicht nachspionieren …«
»Ach ja? Und was hast du dann heute am
Hôpital de la Salpetrière
gemacht?«
Ich schwieg betreten. Hatte sie mich also doch gesehen?
»Doktor Cointet hat mir gesagt, dass du da warst. Natürlich kannte sie dich nicht, aber wie viele große Mädchen mit deutschem Akzent und hellgrünen Augen laufen denn in dem Krankenhaus sonst herum?« Sie löste sich von ihrem Vater. »Ich brauche Ruhe, Papa. Danke für all deine Hilfe, aber ich will jetzt schlafen gehen.« Sie küsste ihn auf die Wange und schaute mich dann wieder an. »Ich hoffe, du bist stolz auf dich und das, was du angerichtet hast.« Mit diesen Worten küsste sie ihren Vater noch einmal und verließ das Zimmer.
Henri Lefebvre stand hilflos im Salon. Nach einigen Augenblicken Schweigen sagte er: »Tut mir leid.«
»Schon gut. Camille hat das alles in den falschen Hals bekommen.« Ich senkte verlegen den Kopf.
»Ihr könnt vielleicht morgen darüber reden.«
»Ja, vielleicht«, sagte ich, ohne wirklich davon überzeugt zu sein. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Ava. Morgen sieht alles anders aus.«
»Wo ist Marie hingefahren?«
Er machte einige Schritte auf die großen französischen Fenster zu, die auf den Hof hinausführten, und starrte in die Dunkelheit. »Ich weiß es nicht«, sagte er leise. »Ich weiß es schon viel zu lange nicht mehr.«
Ich wartete noch einen Moment, doch er wandte mir nur schweigend den Rücken zu, sodass ich leise aus dem Salon ging und die Tür hinter mir schloss. Als ich die Treppe nach oben stieg, hörte ich Camille in ihrem Zimmer weinen. Sie tat mir leid und ich war von ihren Worten und ihrem Mut beeindruckt. Vor allem aber ärgerte ich mich über mich selbst, denn ich hatte sie aus irgendeinem dummen Grund vollkommen falsch eingeschätzt. Nun war es wohl zu spät, um sie zur Freundin zu gewinnen. Während ich nur davon redete, Künstlerin zu werden, hatte sie ihren Traum zielstrebig verfolgt und todkranken Kindern ein Lächeln auf ihre kleinen Gesichter gezaubert.
Als ich mich müde in mein Bett rollte, versuchte ich vergebens, den Gedanken an Camille zu verjagen und mir den Abend mit Wolff in Erinnerung zu rufen. Ich überlegte, ihn anzurufen und ihm zu erzählen, was passiert war, doch als ich nach meinem Handy griff, sah ich, dass Mogens mich heute dreimal vergeblich kontaktiert hatte. Ich seufzte und legte das Telefon weg, ohne mir seine Nachrichten anzuhören, denn sie würden die schönen Gedanken an Wolff endgültig vertreiben, und das wollte ich nicht. Lieber wollte ich darüber nachdenken, wann ich ihn wiedersehen konnte. Er hatte mich nicht darum gebeten, aber sicher würde er sichmorgen gleich melden, dachte ich noch, ehe ich die Augen schloss. Ganz sicher.
Das Telefon schwieg am Montag und es schwieg am Dienstag. Am Mittwoch schwieg es noch immer. Das trug nicht gerade dazu bei, dass ich mich bei den Lefebvres besonders wohlfühlte, obwohl sich Marie bei mir für ihren Auftritt entschuldigt hatte. Camille huschte stumm und mit vorwurfsvoller Miene an mir vorbei, und Henri vermied es so weit wie möglich, überhaupt zu Hause zu sein. Am Donnerstag ertrug ich es nicht mehr und beschloss, Wolff gleich nach der Schule anzurufen. Als ich vor den Schultoren stand, wählte ich bereits seine Nummer.
»
Salut, Ava, à demain!
«, sagte Solène im Vorübergehen zu mir und ich nickte ihr zum Abschied zu.
Wolffs Telefon klingelte, und ich hielt gespannt den Atem an, während mein Magen vor Aufregung rumorte. Aber er ging nicht ran und sein Anrufbeantworter schaltete sich erst nach zehnmaligem Klingeln ein.
»
Allo, vous êtes bien au…
«
Ich drückte seine Mailbox sofort weg, denn ich hatte keine Lust, eine Nachricht zu hinterlassen. Dann änderte ich meine Meinung. Ich wollte einfach nur noch einmal seine Stimme hören. Es klingelte wieder zehnmal.
»
Allo, vous êtes bien au…
«
Mist, jetzt wusste er schon, dass ich ihn nicht nur einmal, sondern sogar zweimal angerufen hatte. Vielleicht ging erjetzt ja ran? Erneut wählte ich seine
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