Eine Liebe wie Magie
Abmachung hatten, schien die Marquise immer noch geneigt, auf verschiedene »Möglichkeiten« hinzuweisen, die sie als qualifiziert genug erachtete, Augusta aus ihrer »jämmerlichen Lage«, Charlottes neuester Umschreibung für Augustas unverheirateten Status, zu befreien. Sie hätte es wissen sollen — Charlotte würde die Sache nicht vollkommen aufgeben. Augusta hingegen fand ihre Genugtuung darin, ihrer Stiefmutter die jeweiligen Gründe darzulegen, weshalb sie keinen der Kandidaten je in Betracht ziehen könnte.
Was denn, der, der da bei der Topfpalme stand? Ja, hatte sie denn nicht gesehen, wie er gerade eben die Reste seines Salzherings in die Drapierung der Gastgeberin gespuckt hatte? Nun ja, vielleicht würde der Fleck auf dem hochglänzenden
Goldbrokat in ihrem eigenen Haus, den Charlotte so liebte, nicht so sehr auffallen.
Nach einer knappen Viertelstunde gab Charlotte auf, und Augusta konnte sich darauf beschränken, an ihrer Seite zu stehen, die zahlreichen Bekanntschaften anzulächeln und artig auf deren dämliche Fragen zu antworten.
Was für ein entzückender Schal, meine Liebe, haben Sie das Muster selbst gestickt?
Ich hörte, der Regent würde heute abend seine Aufwartung machen. Arme liebe Herzogin, sie würde es niemals überleben, wenn er nicht erscheint.
Augusta nickte bloß zu jedem und versuchte, ihr Gähnen zu unterdrücken. Wenn sie von ihrer momentanen Gesellschaft ausging, würde sich der Abend wohl hinziehen. Dennoch, in einer solch großen Menschenmenge müßte es doch jemanden geben, mit dem man sich intelligent unterhalten konnte, jemand, der aufregendere Gesprächsthemen als Stickerei und Frisuren bieten könnte. Allerdings, ohne ihre Brille, die sie in der Handtasche versteckt hatte, würde sie wohl kaum einen von ihnen entdecken.
Augustas Stirn legte sich in Falten. Charlotte hatte unerbittlich darauf bestanden, daß sie an diesem Abend nicht ihre Brille trug, weshalb sie nur leicht verschwommen sehen konnte; glücklicherweise hatte Charlotte wohl nicht daran gedacht, als sie die Bemerkung über den hochwohlgeborenen jungen Heringsspucker gemacht hatte.
Augusta sah nun zu Charlotte hinüber, die nebenan in eine Konversation über die neuesten Musselinmuster vertieft war, die gerade bei Hardin, Howell & Company eingetroffen waren, fraglos ein ernster Stoff. Sie trat ein wenig zurück, nahm ihre Brille aus der Handtasche und setzte sie schnell auf, um die Menschenmenge nach einer etwas anregenderen Gesellschaft abzusuchen.
Ihr nunmehr geschärfter Blick traf auf bunte Seide und glit-zernde Juwelen, prächtige Gewänder, zu denen ihr eigenes einen starken Kontrast bildete. Es war nicht ganz hellgrau, aber auch nicht gerade beige. Das Kleid war einfach, zugegeben, die Seide hatte keine Verzierungen bis auf das schlichte, weite Satinband, das knapp unter ihren Brüsten angebracht war, doch es war das förmlichste, das sie besaß, obwohl es nicht so ganz zu der ausgefeilten Frisur paßte, für die Mr. Liviston Stunden gebraucht hatte. Eine Frisur, die ihre dunklen Locken gedreht und gezogen hatte, bis sie in einer dichten Masse winziger Löckchen als Schaumkrone bedenklich über ihrem Scheitel thronte. Charlotte hatte die Coiffure »ein Meisterwerk« genannt, und »Augustas einziger rettender Umstand für den Abend«. Augusta hatte hingegen die Befürchtung, daß sie von dem bloßen Gewicht Umfallen könnte. Und gerade jetzt spürte sie dadurch aufkommende Kopfschmerzen.
Augusta hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, in der wogenden Menschenmasse irgend jemand von Interesse zu finden, als sie plötzlich am anderen Ende des Raumes nahe den Balkontüren den Grafen erblickte.
Sie lächelte in sich hinein. Sie hatte gehofft, daß er kommen würde; tatsächlich war die Möglichkeit, ihn zu sehen, einer der Hauptgründe, daß sie überhaupt zugestimmt hatte, Charlotte zu begleiten. Normalerweise mußte sie ihre Treffen heimlich planen, und dann mußte sie sich immer noch Sorgen machen, daß jemand sie zusammen entdecken könnte. Aber hier, bei einem solchen gesellschaftlichen Anlaß, könnten sie einige Zeit miteinander verbringen, ohne irgendwelche Spekulationen befurchten zu müssen.
Nur einen Augenblick später ergab sich die Gelegenheit in Form einer ziemlich wuchtigen Matrone in grünem Satin, die sich ihren Weg geradewegs durch die Menge bahnte. Geschickt schlüpfte Augusta hinter ihr her und gelangte in ihrem Kielwasser quer durch den Ballsaal, wo er sie erwartete.
Noah
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