Eine Liebe wie Magie
die Türe fixiert, durch die Augusta soeben entschwunden war. »Ich glaube, für heute abend habe ich dir genug von meinem Kleingeld gegeben, Knighton. Am besten hört man auf, solange man noch das Hemd auf dem Leibe trägt.«
Während Christian hinter ihm kicherte, stand Noah auf und ging zur Tür. Eigentlich wollte er nur nachsehen, was Lady Augusta vorhatte. Er fand sie, wie sie bei ihrer Stielmutter inmitten einer Gruppe der prominentesten Damen der Gesellschaft stand, aber während der Rest der Versammelten angeregt Konversation betrieb, lachte und schwatzte, sah Lady Augusta gelangweilt zu Boden. Sie war zwar anwesend, aber gleichzeitig auch wieder nicht.
Sie schien dem Tanzen und den Gesprächen um sich herum zuzusehen, aber Noah wußte, daß sie nur an einem interessiert war. Belgrace. Er konnte sie nun sehen, wie sie mit den Augen den Raum durchforstete und in jedem Gesicht den Grafen suchte. Dann erblickte sie plötzlich Noah. Ihre Augen blieben
an den seinen hängen. Er lächelte und beugte den Kopf zu ihr. Sofort verfinsterte sich ihr Blick, und sie sah weg. Jetzt konzentrierte sie sich auf die entgegengesetzte Seite des Raumes. Noah tat das einzige, was ihm in den Sinn kam: Er ging auf sie zu.
»Guten Abend, Lady Augusta«, sagte er und verbeugte sich kunstvoll vor ihr.
Er hatte es darauf angelegt, daß seine Begrüßung Aufmerksamkeit erregte, und er wurde nicht enttäuscht. Die Unterhaltung ihrer Stiefmutter und Bekannten verstummte schlagartig. Alle Augen richten sich auf die beiden.
Irritiert sah Augusta ihn an und blickte dann zur Seite. Warum schien er überall dort aufzutauchen, wo sie hinging? »Einen schönen Abend, Sir.« Und dann fügte sie mit einem gelangweilten Gähnen hinzu: »Es tut mir leid, aber ich fürchte, Sie müssen mir helfen. Kennen wir uns?«
Noah grinste leicht. »Nun, ja, Mylady, allerdings, obwohl Sie sich vielleicht nicht erinnern können. Es war auf dem Lumley-Ball im...«
»O ja«, fuhr sie dazwischen, bevor er sie gänzlich bloßstellen konnte, »Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.« Sie preßte die Lippen zusammen. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen.«
»Auf jeden Fall«, sagte er, entschlossen, das Gespräch fortzusetzen, »sind wir uns noch nicht formell vorgestellt worden.« Er nahm ihre behandschuhte Hand und machte eine tiefe Verbeugung. »Lord Noah Edenhall, zu Ihren Diensten.«
Augusta hätte ihm am liebsten eins über den Kopf gezogen. Statt dessen entzog sie ihm ihre Hand, so schnell es ging, ohne den Anstand zu verletzen. »Danke, Lord Noah. Es ist mir ein Vergnügen Ihre formelle Bekanntschaft zu machen.«
Sie drehte sich um und wollte ihn stehenlassen. Sie sah nur einmal kurz aus dem Augenwinkeln zurück — was sich als große Dummheit herausstellen sollte.
»Lady Augusta, ich hatte die Hoffnung, Sie würden mir die Ehre des nächsten Tanzes gewähren. Ich glaube, die Musiker machen sich gerade bereit.«
»Vielen Dank, aber ...«
Plötzlich, als ob eine königliche Fanfare diesen Augenblick angekündigt hätte, war der ganze Saal ergriffen von gespannter Erwartung. Jeder in der Nähe verstummte. Niemand bewegte sich oder machte ein Geräusch. Kein Ton war zu hören. Einige fürchteten sich wohl sogar zu atmen.
Was in Gottes Namen batte das zu bedeuten? wunderte sich Augusta und versuchte zu erkennen, ob vielleicht jemand noch nach den verbotenen elf Uhr Einlaß begehrte. Doch statt dessen schritt eine Dame durch die Menge. Königlich, mit dem Ausdruck stolzer Verachtung, den sie zweifellos seit ihrer Geburt perfektioniert hatte, nickte sie im Vorbeigehen einigen Privilegierten zu. Ihr Kleid hatte eine merkwürdige Farbe, es schimmerte gelblich-grün, und Augusta war sicher, daß sie in ihrem ganzen Leben noch nie so viele Diamanten an einer einzigen Person gesehen hatte. Sie lagen um ihren Hals, hingen an ihren Ohren und besetzten sogar den Ausschnitt ihres Kleides. Augusta wunderte sich, wie sie überhaupt noch die Hand heben konnte vor lauter Armbändern, die über den Handschuhen an ihren Handgelenken klirrten.
Als sie näher kam, nahm Noah ihre ausgestreckte Hand und verbeugte sich ebenso galant, wie er es vor wenigen Augenblicken vor Augusta getan hatte. »Lady Castlereagh, Sie sehen heute abend außergewöhnlich bezaubernd aus.«
Castlereagh. Augusta erkannte den Namen sofort als den einer der Patroninnen von Almack’s, die Charlotte den so verzweifelt gewünschten Eintritt gewährt hatte. Sie versuchte, sich daran zu
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